Die Versicherten- und Arbeitgebervertreter in der gesetzlichen Krankenversicherung lehnen die mit dem 3. AMG-Änderungsgesetz beabsichtigte Neuregelung ab, die Vorstandsverträge der gesetzlichen Krankenkassen, des Gemeinsamen Bundesausschusses, des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und des GKV-Spitzenverbandes unter den Zustimmungsvorbehalt durch die Aufsichtsbehörden zu stellen. Dieses Vorhaben ist ein ungerechtfertigter und unsachgerechter Eingriff in die Rechte der sozialen Selbstverwaltung. Die Rechtsaufsicht der Aufsichtsbehörden wird so de facto in eine Fachaufsicht umgewandelt. Dies gilt gleichermaßen für die vorgesehene Vorlagepflicht für Mietverträge ab einer bestimmten Mietfläche bzw. Mietdauer.
Den Verwaltungsräten wäre es künftig nicht mehr möglich, Verträge eigenverantwortlich abzuschließen. Das widerspricht den Ordnungsprinzipien der gesetzlichen Sozialversicherung. Im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts setzen die demokratisch gewählten Vertreter der Arbeitgeber und Versicherten die Sozialgesetzgebung eigenverantwortlich und verantwortungsvoll um. Ihre Tätigkeit genießt ein hohes Ansehen bei den Versicherten, den Arbeitgebern und der Politik. Zum Kernbereich der Selbstverwaltung gehört die interne Organisation und Durchführung der Verwaltung einschließlich der personalwirtschaftlichen Kompetenzen und der Kosten des Personaleinsatzes.
Bereits heute besteht ein Höchstmaß an Transparenz über die Entscheidungen der Selbstverwaltung: Die Bezüge der Vorstandsmitglieder von Krankenkassen und ihren Verbänden werden im Bundesanzeiger und in den Mitgliederzeitschriften sowie anschließend auf zahlreichen Internetseiten veröffentlicht. Dies stärkt die Binnenkontrolle durch die Mitglieder der Krankenkassen, die ggf. von ihrem Wechselrecht Gebrauch machen können und dies auch tun. Der Wettbewerb ist damit das wesentlich bessere Kontrollinstrument im Vergleich zur präventiven Regulierung durch die Aufsichtsbehörden. Diese verfügen zudem heute schon mit dem nachträglichen Beanstandungsrecht über wirksame Sanktionsmöglichkeiten bei grober Abweichung vom Grundsatz der leistungsgerechten Bezahlung.
Angesichts der Vielzahl der seit Mitte der 90er Jahre abgeschlossenen Vorstandsverträge rechtfertigen einige wenige Ausnahmefälle, die zu Beanstandungen der Aufsichtsbehörden geführt haben, keinen einen derartig massiven Eingriff in die Rechte der Selbstverwaltung. Sollte der Gesetzgeber dennoch eine generelle Fehlentwicklung unterstellen, so müsste er Kriterien im Gesetz nennen, die die Lebenswirklichkeit sachgerechter abbilden. Das alleinige Regelbeispiel z. B. bei den Krankenkassen (Zahl der Mitglieder) ist nicht ausreichend. Hinzukommen müssen zumindest noch: Die Lage und Entwicklung der Körperschaft, das Wettbewerbsumfeld und – klarstellend - das Wirtschaftlichkeitsgebot. Damit würde zum einen an der Grundstruktur der Rechtsaufsicht festgehalten und zum anderen die Verantwortungsbereiche klar gegeneinander abgegrenzt.
Zusammengefasst:
Die Arbeitsteilung, dass die Selbstverwaltung entscheidet und die Aufsichtsbehörde bei einer Rechtsverletzung einschreitet, funktioniert und ist anerkannt – sowohl grundsätzlich als auch bei der Festlegung von Vorstandsvergütungen. Der Nachweis struktureller Missstände, die ein Handeln der Politik notwendig machten, steht aus. Der GKV-Spitzenverband und die Verbände der Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene fordern die Regierungskoalition deshalb nachdrücklich auf, die vorlegten Änderungsanträge für die Novellierung des Arzneimittelgesetzes, die die Vorstandsverträge der gesetzlichen Krankenkassen betreffen, zurückzunehmen. Notwendig ist es vielmehr, bei künftigen Reformen die Autonomie der Selbstverwaltung zu stärken und ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu erweitern.