Außerklinische Intensivpflege

Eine junge Pflegerin am Bett, in dem eine alte Frau liegt

Mit dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) hat der Gesetzgeber die außerklinische Intensivpflege aus den Regelungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V herausgelöst und in eine eigenständige Rechtsvorschrift überführt. Ziel ist es, die medizinisch-pflegerische Versorgung der Betroffenen zu verbessern und das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung beziehungsweise zur Entfernung der Trachealkanüle besser auszuschöpfen sowie die Therapie zu optimieren.

Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Anspruch auf außerklinische Intensivpflege. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege liegt vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft im gesamten Versorgungszeitraum erforderlich ist, da aufgrund der Art und Schwere der Erkrankung eine sofortige ärztliche oder pflegerische Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich unvorhersehbar eintreten kann. Darüber hinaus besteht nur Anspruch, wenn Betroffene die Maßnahmen der außerklinischen Intensivpflege nicht selbst durchführen können.

Die außerklinische Intensivpflege beinhaltet die permanente Interventionsbereitschaft, Anwesenheit und Leistungserbringung durch eine geeignete Pflegefachkraft über den gesamten Versorgungszeitraum zur Erbringung der medizinischen Behandlungspflege, weil bei den Versicherten jederzeit lebensbedrohliche Komplikationen auftreten können. Zur medizinischen Behandlungspflege im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege gehören beispielweise:

  • die spezielle Überwachung des Gesundheitszustandes und die sich daraus ergebenden notwendigen Interventionen,
  • die Pflege des Tracheostomas und das Trachealkanülenmanagement,
  • das Sekretmanagement,
  • die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes,
  • die Anwendung von Inhalations- und Absauggeräten,
  • die Erfassung und Bewertung von Vitalparametern,
  • die Einleitung und Durchführung von Notfallmaßnahmen und des Krisenmanagements.

Die außerklinische Intensivpflege wird insbesondere im eigenen Haushalt, in von Leistungserbringern betriebenen Wohneinheiten, in vollstationären Pflegeeinrichtungen sowie in Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbracht.

Die außerklinische Intensivpflege setzt eine ärztliche Verordnung voraus. Die ärztliche Verordnung kann durch spezielle Fachärztinnen und Fachärzten erfolgen. Auch Hausärztinnen und Hausärzte können Verordnungen ausstellen, wenn sie eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung haben und über entsprechende Fachkenntnisse verfügen. Für die Verordnung ist das Vordruckmuster 62B zu verwenden.

Vor jeder Verordnung erfolgt bei beatmeten oder nicht beatmeten, aber trachelkanülierten Versicherten eine Potenzialerhebung. Im Rahmen der Potenzialerhebung wird überprüft, ob eine Reduzierung der Beatmungszeit bzw. vollständige Entwöhnung der Beatmung (Weaning), die Entfernung der Trachealkanüle (Dekanülierung) oder die Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung möglich ist. Ziel ist es, die Möglichkeiten der Therapieoptimierung auszuschöpfen. Bei Versicherten, die dauerhaft kein Potenzial auf eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung haben, besteht die Zielsetzung der Potenzialerhebung darin, die Möglichkeiten der Therapieoptimierung zu eruieren.

Wann muss die Potenzialerhebung durchgeführt werden?

Die Potenzialerhebung muss mindestens alle sechs Monate durchgeführt werden. Damit ausreichend Zeit für das Einholen der Potenzialerhebung bis zur nächsten Verordnung der außerklinischen Intensivpflege besteht, kann diese zum Zeitpunkt der Verordnung bereits maximal drei Monate alt sein. Wird bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten im Rahmen der Erhebung festgestellt und dokumentiert, dass keine Aussicht auf nachhaltige Besserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung besteht und eine Dekanülierung oder Entwöhnung dauerhaft nicht möglich ist, muss die Erhebung mindestens alle 12 Monate durchgeführt werden. Diese Erhebungen bei diesen Versicherten können zum Zeitpunkt der Verordnung bereits maximal sechs Monate alt sein.

Eine Ausnahme von der Notwendigkeit der Durchführung einer Potentialerhebung vor der Verordnung von außerklinischer Intensivpflege besteht, wenn innerhalb eines Gesamtzeitraums der Patientenbeobachtung von mindestens zwei Jahren zweimal in Folge auf Grundlage einer unmittelbar persönlichen Untersuchung festgestellt und dokumentiert wurde, dass keine Aussicht auf nachhaltige Besserung der zu Grunde liegenden Funktionsstörung besteht und eine Dekanülierung oder Entwöhnung dauerhaft nicht möglich ist. Die Potenzialerhebung wird ebenfalls von Fachärzten oder Fachärztinnen durchgeführt, die ein bestimmte Qualifikation besitzen müssen. Diese wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt. Das Ergebnis der Potenzialerhebung wird auf dem Vordruckmuster 62A dokumentiert.

Die Vordruckmuster 62 A und B finden Sie auch unter Dokumente und Links.

Einzelheiten zur Verordnung, zur Potentialerhebung und zum Leistungsanspruch hat der G-BA in seiner Richtlinie über die Verordnung von außerklinische Intensivpflege geregelt (AKI-Richtlinie). Die AKI-Richtlinie finden Sie auch unter Dokumente und Links.

Die für die Potenzialerhebung und zur Verordnung der außerklinischen Intensivpflege zugelassenen Ärztinnen und Ärzte werden in der Arztsuche des Nationalen Gesundheitsportals nach § 395 Abs. 2 SGB V veröffentlicht.

Darüber hinaus wird zur Sicherung der außerklinischen Versorgung jährlich durch den Medizinischen Dienst (MD) am Ort der Versorgung überprüft, ob die Anspruchsvoraussetzungen weiterhin erfüllt sind und die Versorgung am Ort der Leistungserbringung sichergestellt ist.

Übergangsregelung bis zum 31.12.2024

Aufgrund der zwingenden Verknüpfung von Potenzialerhebungen und Verordnungen von außerklinischer Intensivpflege überprüft der G-BA regelmäßig die Anzahl der zur Verfügung stehenden ärztlichen Ressourcen.

Mit Blick auf die im Sommer 2023 noch geringe und nun stetig ansteigende Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die Potenzialerhebungen vornehmen können, hat der G-BA Probleme bei der flächendeckenden Umsetzung der Potenzialerhebung befürchtet. Deshalb hat der G-BA mit Blick auf den insbesondere in der Umstellungsphase der Verordnungsgrundlagen zu erwartenden hohen Bedarf an Potenzialerhebungen befristet bis zum 31.12.2024 die bisherige Regelung zur verpflichtenden Durchführung einer Potenzialerhebung vor der Ausstellung einer Verordnung auf außerklinische Intensivpflege geändert. Für diesen Zeitraum ist die Potenzialerhebung vor jeder Verordnung nicht zwingend durchzuführen, wenn eine oder ein zur Potenzialerhebung qualifizierte Ärztin oder qualifizierter Arzt vor der Verordnung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Die befristete Regelung bedeutet also, dass eine Erhebung, soweit sie möglich ist, durchgeführt werden muss. Für den Fall, dass eine Erhebung wegen der Nichtverfügbarkeit potenzialerhebender Ärztinnen und Ärzte im Einzelfall nicht durchgeführt werden kann, hat die Verordnerin oder der Verordner darauf hinzuwirken, dass die unterbliebene Potenzialerhebung in naher Zukunft, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2024, nachgeholt wird; insoweit bewirkt die befristete Soll-Regelung lediglich eine Streckung des Zeitrahmens der Inanspruchnahme, nicht jedoch eine Aussetzung des Anspruchs des Versicherten auf Potenzialerhebung.

Die außerklinische Intensivpflege wird von zuverlässigen Leistungserbringern, die

1. eine Wohneinheit für mindestens zwei Versicherte betreiben, die Leistungen der außerklinischen Intensivpflege in Anspruch nehmen,

2. Leistungen der vollstationären Pflege erbringen,

3. Leistungen nach § 103 Abs. 1 SGB IX in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a SGB XI in Verbindung mit § 71 Abs. 4 SGB XI erbringen oder

4. außerklinische Intensivpflege an den in § 37c Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V genannten Orten erbringen (z.B. der eigenen Häuslichkeit),

erbracht.

Die Versorgung der Versicherten erfolgt durch Leistungserbringer, mit denen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Versorgungsverträge nach § 132l Abs. 5 SGB V geschlossen haben.

Um eine bundesweit einheitliche Grundlage für die vertraglichen Regelungen zu ermöglichen, hat der GKV-Spitzenverband mit den Vereinigungen der Träger von vollstationären Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Leistungen nach § 43 SGB XI erbringen, die für die Wahrnehmung der Interessen der Erbringer von Leistungen nach § 132l Abs. 5 Nr. 3 SGB V maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene nach § 132l Abs. 1 Satz 1 SGB V Rahmenempfehlungen zur Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege geschlossen.

Durch die Rahmenempfehlungen gibt es bezogen auf alle Versorgungssettings (im eigenen Haushalt, in von Leistungserbringern betriebenen Wohneinheiten, in vollstationären Pflegeeinrichtungen sowie in Einrichtungen der Eingliederungshilfe) bundeseinheitliche Rahmenbedingungen zur Erbringung von außerklinischer Intensivpflege, die den Verträgen mit den Leistungserbringern nach § 132l Abs. 5 SGB V zugrunde zu legen sind. Die Rahmenempfehlungen enthalten insbesondere Regelungen zu

  • dem erforderlichen Personalbedarf,
  • den Qualifikationsanforderungen an die leitenden sowie die an der Versorgung beteiligten Pflegefachkräfte,
  • baulichen und strukturellen Anforderungen an betreiberorganisierte Wohneinheiten,
  • den Grundsätzen der Vergütung sowie
  • Maßnahmen bei Vertragsverstößen

Die Rahmenempfehlungen nach § 132l Abs. 1 SGB V finden Sie unter Dokumente und Links.

Dokumente und Links