„Bei Medizinprodukten kommen Scheininnovationen und sogar schädliche Produkte viel zu leicht in die Versorgung. Es gibt keine sicheren Regeln und Vorgaben, die das verhindern. Hier hat die Politik seit Jahren trotz zahlreicher Mahnungen viel zu wenig getan. Auch die gesetzliche Krankenversicherung hat mehrfach auf diese Probleme hingewiesen“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, anlässlich der aktuellen Berichterstattung über Medizinprodukte.
"Krankenhäuser dürfen ohne vorherige Studien neue Produkte und Methoden anwenden und der Patient kann sich nicht darauf verlassen, dass sie sicher und erprobt sind. Von sich selbst auflösenden Stents bis zu Metall-auf-Metall-Hüftprothesen reichen hier die Beispiele schlimmer Entwicklungen. Deshalb fordern wir eine konsequente Umsetzung der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung und zusätzlich eine verpflichtende Nutzenbewertung von neuen Methoden unter Verwendung von Medizinprodukten durch den Gemeinsamen Bundesausschuss auch für Krankenhäuser. Nur was tatsächlich etwas nützt und auch sicher ist, sollte Patientinnen und Patienten einoperiert werden. Die Nutzenbewertung für neue Methoden im Krankenhaus könnte Deutschland auch ohne eine europäische Regelung einführen. Die Bundesregierung muss es nur wollen.
Konsequent wäre ein zweistufiges Verfahren: Erst ein Inverkehrbringen auf europäischer Ebene nach den ab 2020 deutlich strengeren Regeln und dann im zweiten Schritt eine Nutzenbewertung mit anschließender Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses, ob das neue Medizinprodukt auch finanziert wird. Das Ziel: Nur was sicher ist und den Patienten wirklich etwas nützt, wird von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt. An Stelle von Industrieversprechen würden dann wissenschaftliche Nutzenbelege treten.
Die neue EU-Verordnung, die in Mai 2020 in Kraft tritt, wird wesentliche Verbesserungen für Patientinnen und Patienten bringen. Endlich wird es nahezu unmöglich gemacht, dass Medizinprodukte ohne klinische Prüfungen in den Verkehr gebracht werden. Das ist zwar keine Zulassung, aber ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zu der heutigen Situation. Deshalb wäre es fatal, wenn sich die Industrielobby mit ihren Versuchen, den Geltungsbeginn dieser Verordnung zu verzögern, durchsetzen würde.
Bei der Bewertung von Medizinprodukten muss der Patientennutzen und nicht das Industrieinteresse im Vordergrund stehen. Deshalb fordern wir, dass in Brüssel die Zuständigkeit für Medizinprodukte vom Industriekommissar zum Gesundheitskommissar wechseln sollte – erst kommt das Patientenwohl, dann das Industrieinteresse. Aber leider ist es offenbar häufig genau umgekehrt“, so Pfeiffer weiter.