Statement von Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, im Rahmen der Veranstaltung des Medizinischen Dienstes "Der IGeL-Monitor - Bilanz nach einem Jahr":
Das Angebot medizinischer Leistungen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, hat sich in den letzten Jahren zu einem immer größeren Markt entwickelt. Selbstverständlich können und sollen alle Versicherten selbst entscheiden, ob sie beim Vertragsarzt als Selbstzahler derartige medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Leider zeigt sich aber in der Realität, dass es bei den IGeL-Leistungen häufig vor allem um wirtschaftliche Interessen von Ärzten und nicht um die Gesundheit der Patienten geht.
Die Entwicklung, die der wachsende IGeL-Markt in den letzten Jahren genommen hat, halten wir aus verschiedenen Gründen für bedenklich. Aus Befragungen wissen wir, dass sich ein Teil der Patienten über die angebotenen Leistungen schlecht informiert fühlt. Nutzen und Risiken werden vom Arzt nicht ausreichend erläutert, Alternativen nicht genannt. Ein formeller Behandlungsvertrag kommt häufig nicht zustande. Versicherte berichten zudem vielfach, dass sie sich in der speziellen Situation in der Arztpraxis überrumpelt fühlen.
Teilweise argumentieren Ärzte bei einem IGeL-Angebot damit, dass die Kassen diese Leistungen nicht mehr bezahlen. Dies ist in der Regel schlichtweg falsch. Ein Teil dieser Leistungen hat noch nie zum Leistungsspektrum der GKV gehört. Hierfür gibt es gute Gründe: Für diese Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wurde bisher nicht ausreichend bewiesen, dass der erhoffte Nutzen tatsächlich vorliegt. Ein anderer Teil gehört grundsätzlich sehr wohl zum Leistungskatalog der GKV, wird allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen von den Kassen bezahlt. So sind beispielsweise Untersuchungen wie Augendruckmessung, Ultraschalluntersuchungen oder PSA-Bestimmungen sehr wohl „auf Chipkarte“ abzurechnen, wenn ein konkreter Krankheitsverdacht vorliegt oder der Verlauf einer bekannten Erkrankung untersucht werden soll. All diese Informationen werden Versicherten jedoch häufig vorenthalten, ebenso eine Aufklärung darüber, für welche anderen Leistungen in der speziellen Situation ein gesetzlicher Anspruch besteht. Um diese Lücke zu schließen und damit die Patienten in der Lage sind, sich auf einer fundierten Grundlage für oder gegen eine solche IGeL-Leistung zu entscheiden, ist der IGeL-Monitor entwickelt worden.
Im neuen Patientenrechtegesetz sind u. a. die Notwendigkeit eines schriftlichen Behandlungsvertrages sowie bestimmte Informations- und Aufklärungspflichten durch den Arzt festgelegt worden. Das reicht aber nach unserer Auffassung nicht aus. Gerade ein hilfesuchender Patient ist besonders verletzlich. Hinzu kommt das Zusammenspiel von Zeitdruck und unzureichender Information: dem müsste daher deutlich entschiedener Rechnung getragen werden. Dies könnte durch eine Einwilligungssperrfrist erreicht werden, und zwar in allen Fällen, in denen der Arzt wegen einer Kassenleistung aufgesucht wird. Eine solche Sperrfrist würde dem Patienten Zeit verschaffen, weitere Informationen zur IGeL-Leistung einzuholen und in Ruhe zuhause ohne Druck eine Entscheidung für oder gegen eine IGeL-Leistung treffen zu können.
Darüber hinaus halten wir es für erforderlich, dass die Informationspflichten des Arztes gegenüber den Patienten präziser gesetzlich geregelt werden. Die Aufklärung muss mündlich und durch den Arzt selbst erfolgen. Bevor die Bedenkzeit beginnt, muss der Patient wissen:
- warum die angebotene Untersuchung oder Behandlung nicht von der Krankenkasse bezahlt wird,
- unter welchen Umständen die angebotene Leistung doch von der Kasse bezahlt wird und warum diese Situation bei dem Versicherten nicht gegeben ist,
- welche Vor- und Nachteile die Leistung hat ,
- auf welche anderen Diagnose- und Behandlungsverfahren in diesem Zusammenhang ein gesetzlicher Anspruch besteht und
- wie viel die Leistung kostet.
Als GKV-Spitzenverband wissen wir, dass viele Ärzte bereits jetzt einen gewissenhaften und sorgsamen Umgang mit IGeL-Leistungen pflegen. Allerdings stellen die neuen gesetzlichen Vorgaben nicht hinreichend sicher, dass wirklich alle Versicherten gleichermaßen nur noch die IGeL-Leistungen bekommen, die sie nach ihrer eigenen Überzeugung für sich auch als notwendig und sinnvoll bewerten.