Auf seiner heutigen Sitzung hat sich der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes intensiv mit den geplanten Regelungen über die Ausdehnung der Anwendbarkeit des Kartellrechtes auf die gesetzlichen Krankenkassen befasst. Diese Ausdehnung soll, so die aktuelle politische Diskussion, im Rahmen der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erfolgen.
Dazu hat der Verwaltungsrat heute die folgenden Positionen beschlossen:
Das Wettbewerbsrecht darf den Versorgungsauftrag der Krankenkassen nicht behindern. Der Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung ist kein Selbstzweck. Er soll die Effizienz und die Qualität der Leistungserbringung und Leistungsbeschaffung im Interesse der Versicherten und Beitragszahler stärken. Die vorgesehene Umsetzung einer umfassenden Einführung der Kartellbestimmungen würde jedoch dazu führen, dass Beschlüsse und Entscheidungen der Krankenkassen und ihrer Kassenartenverbände grundsätzlich dem Kartellverbot unterliegen. Damit droht - unter den besonderen Rahmenbedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung - das Wettbewerbsrecht über dem Patientenwohl zu stehen. Zu diesen besonderen Rahmenbedingungen zählen der gesetzlich vorgegebene Leistungskatalog, der Kontrahierungszwang, das gesetzliche Zusammenarbeitsgebot, die verpflichtende Bildung von Haftungsgemeinschaften konkurrierender Krankenkassen sowie vor allem der gesetzliche Versorgungsauftrag.
Gemeinsames Handeln gesetzlich gefordert
Das Sozialgesetzbuch (SGB) fordert die Krankenkassen im Interesse der Wirtschaftlichkeit und der Gleichmäßigkeit der Versorgung vielfach ausdrücklich zum gemeinsamen Handeln auf. Insofern stehen die Strukturvorstellungen des Wettbewerbsrechts und des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung zueinander im Widerspruch. Eine weitergehende Regulierung durch das in erster Linie europarechtlich geprägte Kartellgesetz droht mit dem an die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Kassenartenverbände sowie an die übrigen Einrichtungen des Gesundheitswesens adressierten Gebot zur engen Zusammenarbeit in Konflikt zu geraten. Zudem sind die Kassen als Körperschaften öffentlichen Rechts bei der Leistungsgewährung strikt an den Gleichbehandlungsgrundsatz, aus dem sich für die Versicherten ein Anspruch auf ein gleichwertiges Versorgungsniveau ableitet, und das Willkürverbot gebunden. Dies wird in besonderer Weise durch die bereits geltende Anwendung des Vergaberechts realisiert.
Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes fordert daher den Gesetzgeber auf, eine sozialrechtsspezifische Wettbewerbsregelung vorzunehmen, die sicherstellt, dass gerade auch im Interesse einer wirtschaftlichen, qualitativ hochwertigen und gerechten Gesundheitsversorgung der Versicherten in Deutschland die nationale Gestaltungskompetenz für das Gesundheitswesen, die Berücksichtigung des Versorgungsauftrags der Krankenkassen und das Prinzip der Selbstverwaltung gewährleistet bleiben.
Eine entsprechende Wettbewerbsordnung für das Handeln der Krankenkassen, mit dem das Verhältnis der Krankenkassen untereinander und im Verhältnis zu den Versicherten geregelt wird, muss daher konsequenterweise unmittelbar im Sozialgesetzbuch mit entsprechenden Zuständigkeiten der Sozialgerichte und ohne undifferenzierte Verweisungen in das Kartellrecht verankert werden. Zudem ist abzulehnen, dass parallele Aufsichtskompetenzen nach dem Sozialrecht und dem Wettbewerbsrecht zu Wertungswidersprüchen und neuer Bürokratie führen.