Bereits am 17. Juni des vergangenen Jahres hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, dass Frauen, die besonders kleine «Frühchen» erwarten, künftig nur noch in Kliniken entbinden sollten, die auf diese besondere Geburts- und Versorgungssituation vorbereitet sind. Damit sollten die Überlebenschancen der Babys erhöht und die Wahrscheinlichkeit von Behinderungen verringert werden. Deshalb wurde beschlossen, dass nur noch die Krankenhäuser die besonders betreuungsintensiven Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1250 Gramm versorgen dürfen, die mindestens 30 solcher Fälle im Jahr behandeln.
Die neuen Mindestmengen sollten ab dem 1. Januar 2011 in ganz Deutschland verbindlich gelten. Gegen diese Entscheidung hatten jedoch einige Krankenhäuser geklagt und im einstweiligen Anordnungsverfahren vorläufig Recht bekommen. Das Hauptsacheverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg steht noch aus. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung aller Kliniken, also auch derjenigen, die nicht geklagt haben, hat der Gemeinsame Bundesausschuss heute beschlossen, die Mindestmengenvorgabe bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bundesweit für alle Krankenhäuser auszusetzen. Damit wurde der vorläufige Aussetzungsbeschluss des G-BA vom 16. Dezember verlängert.
Dazu erklärt die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer:
„Unser Ziel bleibt die gute Qualität der Versorgung von Frühchen. Deshalb setzten wir uns weiterhin für eine verbindliche Mindestmenge als Voraussetzung für die Frühchenversorgung in den Krankenhäusern ein. Die ökonomischen Interessen von einzelnen Krankenhäusern dürfen der Qualität der Versorgung nicht im Weg stehen.“
Mindestmengen als Qualitätsinstrument anerkannt
Die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ist sehr bedauerlich, denn sie ist ein Rückschlag für die Qualitätssicherung im Bereich der Frühchenversorgung. Eine Mindesterfahrung der Ärzte und Pflegefachkräfte in der Versorgung der sehr untergewichtigen Frühgeborenen ist unverzichtbar. Bereits durch den 2008 veröffentlichten Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde auf hohem methodischem Niveau nachgewiesen, dass bei den sehr untergewichtigen Frühgeborenen ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität besteht. Im europäischen Ausland wurde mit Mindestmengenregelungen die Sterblichkeit der Frühchen im Vergleich zu Deutschland deutlich reduziert.
Frühgeburten kündigen sich meist längerfristig an
Die Planbarkeit bei drohender Frühgeburt ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, die Fachgesellschaften sprechen sogar von bis zu 90%, gegeben. Die allermeisten sehr untergewichtigen Frühgeborenen werden in Deutschland nach abgeschlossener Lungenreife (= antenatale Steroidbehandlung) und damit 24 bis 48 Stunden nach Ankunft der Mutter in der Klinik geboren.
Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren bleibt abzuwarten. Die gesetzliche Krankenversicherung setzt darauf, dass sich ihre fundierte Auffassung letztlich durchsetzt und wie in den meisten unserer Nachbarländer endlich eine wirkungsvolle Mindestmengenregelung zur Verbesserung der Versorgung dieser jüngsten und besonders schutzbedürftigen Mitglieder der Solidargemeinschaft beitragen kann.