Heute beschließt der Deutsche Bundestag das Medizinforschungsgesetz, mit dem die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung und damit für 90 Prozent der Bevölkerung sicher steigen werden. Hintergrund ist die Regelung, dass für die nächsten Jahre Pharmaunternehmen das Recht bekommen, die mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelten Arzneimittelpreise, die dann für alle gesetzlich und privat Versicherten in Deutschland gelten, geheim zu halten. Darüber hinaus werden erst 2022 eingeführte Regelungen („AMNOG-Leitplanken“), die vor überhöhten Preisen für patentgeschützte Medikamente, die keinen oder nur einen geringen Zusatznutzen bzw. nicht quantifizierbaren Zusatznutzen haben, wieder gestrichen. Damit werden die AMNOG-Ziele - Einsparungen und Nutzenorientierung im Preis - gestrichen und gegen Wirtschaftsförderung ausgetauscht. Es ist das ausdrückliche Ziel der Bundesregierung, durch diese gesetzlichen Änderungen den Pharmaunternehmen bessere Marktbedingungen zu ermöglichen und damit den Wirtschafts- und Pharmastandort Deutschland zu stärken.
Dazu erklärt Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes: „Wir haben nichts gegen eine staatliche Wirtschaftsförderung. Aber wir lehnen es ab, dass sich die Bundesregierung diese Förderung aus den Beitragsmitteln der GKV finanzieren lässt. Steigende Beiträge für die Supermarktkassiererin und den LKW-Fahrer, um letztlich höhere Gewinne der Pharmaindustrie zu finanzieren, halten wir für keine gute Gesundheitspolitik. Die Demontage der Leitplanken ist der falsche Schritt, denn dadurch werden sogar Medikamente ohne Zusatznutzen teurer. Gleiches gilt für geheime und intransparente Erstattungsbeträge: Sie verteuern die Versorgung, ohne sie zu verbessern. Die Patientinnen und Patienten gehen leer aus.“
Sozialpolitische Verteilungswirkung beachten
Es gibt einen zentralen sozialpolitischen Unterschied, ob die Krankenkassen aus ihren Beiträgen etwas finanzieren oder der Bund aus Steuergeldern. Wenn die gesetzlichen Krankenkassen etwas finanzieren, dann wird dies aus den Beiträgen der 58 Millionen Mitglieder (die 16 Millionen Familienmitglieder sind beitragsfrei mitversichert) und von deren Arbeitgebern finanziert. Dabei zahlen Gutverdienende nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von 5.175 Euro. Wer 10.000 oder 15.000 Euro im Monat verdient, zahlt also nicht mehr als jemand, der 6.000 Euro verdient.
Wenn etwas aus Steuermitteln bezahlt wird, dann finanzieren alle 84 Millionen Menschen in diesem Land dies gemeinsam über Einkommenssteuer, Gewerbesteuer, Mehrwertsteuer usw. Damit sind dann alle Bürgerinnen und Bürger an der Finanzierung beteiligt. Auch gibt es bei der Einkommenssteuer keine Obergrenze. Alle Einkünfte werden herangezogen. Und durch die Steuerprogression in der Einkommenssteuer leisten Gutverdienende einen höheren Anteil. Hier macht es also einen Unterschied, ob jemand 6.000 oder 10.000 Euro im Monat verdient. Deshalb ist es wichtig, dass zum Beispiel staatliche Wirtschaftsförderung aus Steuermitteln finanziert wird.
Konsens gegen Geheimpreise
„Nahezu alle Akteure der Selbstverwaltung lehnen die Einführung von Geheimpreisen und den damit verbundenen Rückschritt in puncto fairer Erstattungsbedingungen und einem eingespielten Abrechnungssystem ab“, betont Stoff-Ahnis. „Dass sie entgegen allen fachlichen Argumenten nun doch vom Bundestag beschlossen werden, ist eine herbe Enttäuschung. Es droht“, so Stoff-Ahnis weiter“, nun ein zusätzlicher, erheblicher Bürokratieaufbau. Die Verknüpfung des Rechts auf Geheimpreise mit einer Forschungstätigkeit, wie mit den aktuellen Änderungsanträgen beschlossen, betont einmal mehr, dass hier zulasten der Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung Forschungsförderung betrieben werden soll.“
Die über 73 Millionen gesetzlich Versicherten mussten zum Jahresanfang einen deutlichen Anstieg der Krankenkassenbeiträge hinnehmen. Bereits heute ist klar, dass die aktuelle Gesetzgebung der Bundesregierung diesen Trend nicht bremst, sondern beschleunigt. Derzeit steigt der Druck die Krankenkassenbeiträge anzuheben mit jedem neuen Gesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium.