Die Prüfungskommission und die Überwachungskommission prüfen neben den Lebertransplantationsprogrammen derzeit die Herz-, Nieren- und Pankreastransplantationsprogramme. Die Kommissionen haben bisher 33 Transplantationszentren bzw. 60 Transplantationsprogramme geprüft. Die Prüfungen sind Teil des im Sommer 2012 auf neuer gesetzlicher Grundlage ausgeweiteten Kontrollsystems im Transplantationswesen und erfassen die Jahre 2010 bis 2012. Darauf verwiesen die Kommissionsvorsitzenden, Anne-Gret Rinder, Vorsitzende Richterin am Kammergericht i. R., und Prof. Dr. Dr. Hans Lippert, heute in Berlin. Die Ergebnisse wurden zusammen mit dem Kommissionsbericht 2013/2014 der Öffentlichkeit vorgestellt.
„Den Kommissionen wurde mit der TPG-Novelle eine gesetzliche Überwachungskompetenz zugewiesen“, erinnerte Lippert. „Wir können seither nicht nur anlassbezogene, sondern jetzt auch verdachtsunabhängige Prüfungen in den Entnahmekrankenhäusern und Transplantationszentren durchführen“, so Lippert. Er betonte, dass in diese neue Kontrollstruktur auch die Landesministerien in ihrer Funktion als Aufsicht der Transplantationszentren verbindlich einbezogen sind.
Die bisherigen Prüfungen haben ergeben, dass im Bereich der Nierentransplantation keine Anhaltspunkte für systematische Richtlinienverstöße oder Manipulationen bestehen. Es wurden lediglich vereinzelte unrichtige Mitteilungen gegenüber der Vermittlungsstelle Eurotransplant festgestellt, die sich auf das Datum der Erstdialyse bezogen und auf Dokumentationsfehler zurückzuführen waren. Bei den Pankreas– und kombinierten Nieren-Pankreastransplantationen haben die Kommissionen keine Auffälligkeiten festgestellt. „Bis auf das Herzzentrum Berlin wiesen die im Berichtszeitraum abgeschlossenen Herzprüfungen keine Auffälligkeiten auf“, konstatierte Rinder, allerdings seien noch nicht alle Prüfungen abgeschlossen.
Die Kommissionsvorsitzenden erläuterten, dass die Prüfungen in der Regel von jeweils zwei Mitgliedern der Prüfungskommission oder der Überwachungskommission sowie zwei für das jeweilige Transplantationsprogramm sachverständigen unabhängigen Ärzten durchgeführt werden. Weiterhin haben Vertreter der zuständigen Landesministerien an den Prüfungen teilgenommen. „Sofern sich im Zuge einer Prüfung Auffälligkeiten ergeben haben, die weitere Untersuchungen erforderlich machten, sind weitere Prüfungen erfolgt“, konkretisierte Lippert hinsichtlich der noch laufenden Herzprüfungen. In den nachgängigen Prüfungen zweier Lebertransplantationsprogramme haben sich keine Hinweise auf eine systematische Vorgehensweise oder auf Manipulationen ergeben.
Die Ergebnisse der einzelnen Prüfungen werden nach Abschluss des Verfahrens jeweils in einem Bericht zusammengestellt, der von der Prüfungskommission und der Überwachungskommission beraten und als Kommissionsbericht verabschiedet wird. Ein solcher Bericht wird dann den entsprechenden Institutionen – in jedem Fall dem Ärztlichen Direktor des Klinikums, der zuständigen Landesbehörde sowie der Landesärztekammer – zugeleitet sowie auch öffentlich gemacht, führten Rinder und Lippert aus und wiesen darauf hin, dass Auskünfte und Informationen in einem laufenden Verfahren aus Rechtsgründen nicht möglich sind.
Darüber hinaus werden die Ergebnisse der laufenden Prüfungen in die Richtlinienarbeit der Ständigen Kommission Organtransplantation einfließen, ergänzte deren Vorsitzender, Prof. Dr. Hans Lilie. Für die Organtransplantation bleibe es entscheidend, die gesetzlich vorgegebenen Verteilungskriterien Erfolgsaussicht und Dringlichkeit angemessen abzuwägen. „Wir arbeiten deshalb intensiv an der Entwicklung eines medizinischen Kriterienkatalogs (Scores) für die Herzallokation, ähnlich wie wir ihn für die Leber- oder die Lungentransplantation bereits haben“, so Lilie. Dies entspricht dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft bei der Organallokation. Da sich aber im Bereich der Score-basierten Herzallokation international noch kein Modell etabliert hat, betritt die Ständige Kommission Organtransplantation hier Neuland. Überdies hat die Kommission eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinien für die Wartelistenführung und die Organvermittlung zur Lebertransplantation, zur Nierentransplantation und zur Pankreastransplantation auf den Weg gebracht. Ganz wichtig ist, stellte Lilie am Beispiel der Leberrichtlinie heraus, dass diese Arbeiten im Rahmen eines transparenten Verfahrens stattfinden. „Nach der ersten Lesung in der Ständigen Kommission Organtransplantation haben wir den Richtlinienentwurf samt Begründung für vier Wochen auf die Internetplattform der Bundesärztekammer gestellt, das ist im Kommissionsstatut ausdrücklich geregelt“, legte Lilie dar. Die Öffentlichkeit hatte damit die Möglichkeit, Stellung zu den geplanten Änderungen zu nehmen. „Damit haben wir noch viele wichtige Anregungen bekommen, die wir in der Ständigen Kommission Organtransplantation in mehreren Sitzungen eingehend diskutiert haben“, so Lilie weiter, der sich zuversichtlich zeigte, dass die Arbeiten an der Leberrichtlinie bis zum Ende des Jahres abgeschlossen werden können. In diesem Zusammenhang betonte Lilie, dass das Bundesministerium für Gesundheit durch den Genehmigungsvorbehalt wesentlich stärker als bisher in die Richtliniengebung eingebunden ist und dadurch seine Kontrollaufgabe bereits im Vorfeld wahrnimmt.
Nach Ansicht aller Kommissionsvorsitzenden greifen die Regelverschärfungen und Maßnahmen für mehr Kontrolle und Transparenz in der Transplantationsmedizin und zeigen sehr deutlich, dass die gestärkten Kontrollmöglichkeiten mehr Transparenz schaffen und nur auf diesem Weg weiter Vertrauen zurückgewonnen werden kann.
Diesen Eindruck bekräftigte auch Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan, Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin, die einen Überblick gab über die bisher 162 Eingaben an die Vertrauensstelle. Deren Aufgabe ist es, auf vertraulicher Basis Hinweise auf Auffälligkeiten im Bereich der Organspende und der Organtransplantation entgegenzunehmen und in Kooperation mit der Prüfungskommission und der Überwachungskommission zu klären. „Dabei ist auch die Möglichkeit einer anonymen Kontaktaufnahme vorgesehen“, führte Rissing-van Saan aus und hob hervor, dass die Vertrauensstelle allen für Anfragen oder Anschreiben offen steht und damit eine ganz wesentliche bürgernahe Funktion hat. Patienten, Angehörige oder interessierte Bürger haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Beschwerden vorzubringen, auf Missstände hinzuweisen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.
Rissing-van Saan teilte mit, dass seit Anfang des Jahres 2014 auch diverse Anfragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Hirntoddiagnostik die Vertrauensstelle erreicht haben. Neben den durch die Vertrauensstelle mit sachverständiger Unterstützung erfolgten Stellungnahmen zu Fragen der Hirntoddiagnostik und Stellungnahmen zu in Einzelfällen vermeintlich fehlerhaft durchgeführter Hirntoddiagnostik haben die Überwachungs- und Prüfungskommission deren nähere Überprüfung beschlossen.
Um dem Auftrag des Gesetzgebers und dem besonderen Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu entsprechen, veröffentlichen die Prüfungskommission und die Überwachungskommission in ihrem Jahresbericht auch sämtliche Stellungnahmen zu bisherigen Prüfungen in anonymisierter Form. Vorgesehen ist, dass alle 48 Transplantationszentren mit ihren 141 Transplantationsprogrammen mindestens einmal in einem Zeitraum von 36 Monaten vor Ort geprüft werden.