„Für Grundnahrungsmittel wie Brot und Butter werden 7 Prozent Mehrwertsteuer berechnet, für oftmals lebenswichtige Medikamente müssen die Krankenkassen dagegen die vollen 19 Prozent bezahlen. Das ist schlicht nicht nachvollziehbar“, so Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, zum Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Deshalb haben wir die Erwartung an die Politik, die Mehrwertsteuer für Medikamente zu senken. Das wäre ein klares sozialpolitisches Signal und würde die Beitragszahlenden der Krankenkassen um rund sechs Milliarden Euro im Jahr entlasten.“
Anstieg der Arzneimittelausgaben ein Drittel höher als bei anderen Bereichen
Der Ausgabenanstieg bei Arzneimitteln habe im vergangenen Jahr mit fast 8 Prozent rund ein Drittel über dem durchschnittlichen Anstieg aller Leistungsausgaben der Krankenkassen gelegen, so Stoff-Ahnis, zum RND. Das sei ein Weckruf, es müsse gehandelt werden, betonte sie.
Änderungen beim AMNOG notwendig
Bisher können die Pharmaunternehmen für das erste Jahr nach der Zulassung den Preis beliebig festsetzen, egal wie hoch der zusätzliche Nutzen für die Patientinnen und Patienten ist. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, diese Zeitspanne auf sechs Monate zu verkürzen. Hier sei allerdings eine weitergehende Änderung notwendig: „Die sechs Monate reichen noch nicht, denn einseitige und zum Teil willkürliche Preisfestsetzungen für lebenswichtige Medikamente sind weder sozial gerecht noch passen sie zur sozialen Marktwirtschaft. Unsere Forderung daher: Einseitige Preisfestsetzungen müssen endlich aufhören, Verhandlungen sichern faire Preise. Der am Nutzen für die Patientinnen und Patienten orientierte gemeinsam verhandelte Preis muss ab dem ersten Tag und nicht erst nach vielen Monaten gelten.“
Keine Sonderregelung für Medikamente gegen seltene Erkrankungen
Im Gespräch mit dem RND betonte Stoff-Ahnis die Notwendigkeit, dass die Sonderregelungen bei den Erstattungsbeträgen für Medikamente gegen seltene Krankheiten aufgehoben werden müssen. Hier gibt es bis zu einer jährlichen Umsatzschwelle von 50 Millionen Euro keine Überprüfung des zusätzlichen Nutzens für Patientinnen und Patienten. Untersuchungen des Qualitätsinstituts IQWIG hätten jedoch ergeben, dass weniger als die Hälfte dieser Medikamente einen Zusatznutzen habe, so Stoff-Ahnis. Deshalb müsse auch bei diesen Medikamenten genauer hingesehen werden, sagte sie. Die gesetzliche Regelung, eine Nutzenbewertung erst ab einer bestimmten Umsatzschwelle vorzunehmen, müsse abgeschafft werden. Die Ersparnis bezifferte Stoff-Ahnis gegenüber dem RND auf jährlich 350 Millionen Euro.
Qualität und Wirtschaftlichkeit
Die zentrale Herausforderung der Arzneimittelpolitik sei es einerseits, die laufende Versorgung mit bewährten Arzneimitteln zu erhalten und den Zugang zu echten Innovationen zu bewahren, und andererseits, die Finanzierbarkeit der Arzneimittelversorgung auch in Zukunft sicherzustellen, sagte Stoff-Ahnis zum RND. Deutschland sei ein starker Pharmastandort, fügte sie hinzu. Der Weg von der Zulassung bis zur praktischen Verfügbarkeit neuer Medikamente werde in keinem EU-Land schneller zurückgelegt als hierzulande. „Wir wollen, dass das so bleibt“, so Stoff-Ahnis.