Gegenstand:
Situation von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen während der Corona-Pandemie 2020
Projektnehmer:
Charité-Arbeitsgruppe:
- Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey (Gerontologie)
- Prof. Dr. Paul Gellert (Gerontologie)
- Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen (Geriatrie)
- Prof. Dr. Michael Tsokos (Rechtsmedizin)
WIdO-Arbeitsgruppe:
- Prof. Dr. Klaus Jacobs (Ökonomie)
- Dr. Antje Schwinger (Pflegewissenschaft)
- Dr. Kathrin Jürchott (Statistik/Epidemiologie)
- Dr. Miriam Räker (Gesundheitswissenschaften)
Projektsprecherin:
Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey
Projektadresse:
Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Wissenschaftliche Centrumsleitung CC1
Centrum für Human- und Gesundheitswissenschaften
Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft
Charitéplatz 1, 10117 Berlin
Laufzeit: 01.07.2020 – 31.12.2021
Kurzdarstellung:
In der Corona-Krise wurden die deutschen Pflegeheime zu sogenannten Hotspots der Pandemie, verbunden mit der Tatsache, dass etwa jeder dritte an Covid-19 Verstorbene der Monate März und April 2020 in einer vollstationären Pflegeeinrichtung oder einer anderen Betreuungseinrichtung lebte.
Ziele der Studie waren es, durch die Analyse unterschiedlicher Datengrundlagen ein möglichst umfassendes Bild der Krisensituation in deutschen Pflegeheimen in den Jahren 2020 und 2021 zu erhalten, die getroffenen Entscheidungen mit Blick auf Ihre Wirkungen auf Pflegebedürftige und Mitarbeitende zu analysieren und hieraus Schlussfolgerungen für notwendige Maßnahmen im Kontext des Infektionsschutzes in Pflegeheimen abzuleiten und Lehren auch für den Umgang mit anderen Viruserkrankungen zu ziehen.
Grundlage der Analysen waren zum einen Routinedaten der Krankenkassen im AOK-System der Bundesrepublik Deutschland. Komplementär zu den Routinedaten wurden Primärerdatenhebungen in Form von anonymen Befragungen von Einrichtungsleitungen und Mitarbeitenden (Pflegende) zur Situation in den Pflegeeinrichtungen während der Corona-Pandemie durchgeführt. Dazu wurde eine repräsentative Stichprobe deutscher Pflegeheime aus den Daten des AOK-Pflegenavigator gezogen. Im Rahmen einer flankierenden Dokumentenanalyse wurde zudem systematisiert, welche infektionsschützenden Maßnahmen durch die jeweiligen Landesregierungen zu welchem Zeitpunkt getroffen und wieder gelockert wurden. Rechtsmedizinische Befunde ergänzen die Datenlage.
Ergebnisse
Die Ergebnisse des Projekts Covid-Heim zeigen, dass die Mehrzahl aller Pflegeheime in Deutschland im Verlauf der Pandemie von einem Covid-19-Ausbruch betroffen war (87%). Die Infektionen hatten zahlreiche Folgen für die Versorgungssituation in den Heimen, für die meist hochbetagten und oft mehrfacherkrankten Bewohnerinnen und Bewohner sowie für die Pflegekräfte.
Bereits während der ersten Infektionswelle bestätigten neun von zehn Pflegekräften, dass es zu gestiegenen Arbeitsanforderungen und –belastungen seit Beginn der Pandemie kam. Die Sorgen und Anforderungen der Angehörigen, die Infektionsgefahr für die Bewohnenden und die Ängste vor eigener Ansteckung als auch die Umsetzung von Verordnungen zum Infektionsschutz sorgten für die zunehmende Belastungssituation.
Die Bewohnerinnen und Bewohner der Heime traf die Pandemie bis zum Einsetzen der Impfkampagne hart. So waren die allgemeinen Sterberaten unter den AOK-versicherten Pflegeheimbewohnenden im Vergleich zu den Vorjahren erhöht, am deutlichsten im Zeitraum der zweiten Pandemie-Welle. Von allen Heimbewohnenden, die mit einer Covid-19- Infektion ins Krankenhaus kamen, verstarben 58% innerhalb von 90 Tagen. Neun von zehn Pflegekräften bestätigen Folgewirkungen der zum Schutz vor Infektionen verhängten Isolation der Heime. Einsamkeit ist dabei die gravierendste Folge für die Bewohnerinnen und Bewohner.
Der Infektionsschutz hatte ebenso Auswirkungen auf die Versorgungssituation. Zugangsbeschränkungen führten zu Versorgungsdefiziten selbst bei der hausärztlichen Routine, die erst im Verlauf der Pandemiewellen wieder ausgeglichen werden konnten.