PRESSEMITTEILUNG - BERLIN, 10.04.2012 Zahnmedizinische Versorgung: Versicherte vor finanzieller Überforderung schützen

GKV-Spitzenverband

Die Mundgesundheit in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten in allen Altersgruppen kontinuierlich verbessert. Dazu haben die gesetzlichen Kassen mit der im Vergleich zu anderen Industrieländern nach wie vor umfangreichen zahnmedizinischen Versorgung einen entscheidenden Beitrag geleistet. Durch die Ausweitung privat zu finanzierender Leistungen sehen die Kassen das GKV-Angebot im zahnmedizinischen Bereich allerdings zunehmend gefährdet. Um die GKV-Versicherten in dieser Situation schützen und ihre Interessen wirkungsvoll vertreten zu können, fordert der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes in einem auf seiner heutigen Sitzung beschlossenen Positionspapier mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Kassen in der zahnmedizinischen Versorgung.

Mehr Gestaltungsmöglichkeiten für Krankenkassen schaffen

Der Honoraranteil, der über den vertraglichen Leistungskatalog (Bema) abgerechnet wurde, geht immer weiter zurück. Bei Zahnersatzleistungen liegt er bei nur noch knapp einem Viertel. Die übrigen drei Viertel werden nach der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abgerechnet. Durch diesen Verlagerungseffekt haben sich auch die Eigenanteile der Versicherten bei Zahnersatz-versorgungen, die Privatleistungen enthalten, erhöht. Sie stiegen 2009 gegenüber 2005 um durchschnittlich 10,2 % bei Leistungen, die zusätzlich zur Regelversorgung hinzukamen, und um durchschnittlich 14,3 % bei Leistungen, die außerhalb der Regelversorgung lagen. Das Ergebnis dieser Entwicklung: Eine sozial unausgewogene, deutliche Mehrbelastung der GKV-Versicherten und eine Aushöhlung des bewährten Sachleistungsprinzips im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung.

Gesetzliche Verhandlungsbefugnisse schaffen

Die zunehmende Privatisierung der zahnärztlichen Versorgung führt dazu, dass die Krankenkassen auf die Rolle des Bezahlers reduziert werden. Sie bezuschussen zwar einen erheblichen Teil von privatärztlichen Leistungen, haben aber keinen Einfluss auf deren Preisgestaltung, da diese Leistungen nach der privaten Gebührenordnung - und damit außerhalb des für die gesetzlich Versicherten maßgeblichen Regelwerks – erbracht werden. Die Kassen fordern daher gesetzliche Möglichkeiten, in Verträgen mit Zahnärzten Höchstsätze für zahnärztliche Leistungen nach der GOZ auszuhandeln, sofern sie dafür anteilig Kosten oder Zuschüsse übernehmen.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen sprechen sich die gesetzlichen Kassen zudem nachdrücklich gegen eine Ausweitung des Festzuschusssystems auf andere zahnmedizinische Bereiche, wie z. B. Wurzelkanalbehandlungen oder Prophylaxeleistungen, aus. Diese würde nur zu weiteren Leistungsausgrenzungen führen und die Versicherten finanziell überfordern, ohne dass die Kassen ihnen schützend zur Seite stehen könnten. Der bewährte Leistungskatalog und das Sachleistungsprinzip müssen auch zukünftig die Grundlage der zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland sein.

Zahnmedizinische Versorgung transparenter gestalten

Die derzeitige Praxis der Rechnungsstellung im zahnmedizinischen Bereich steht dem Anspruch einer umfassenden Transparenz im Gesundheitswesen entgegen. Bei den Abrechnungen zwischen Kassenzahnärztlicher Vereinigung und Krankenkasse werden weder Name noch Anschrift des Zahnarztes an die Krankenkassen übermittelt. Darüber hinaus erhalten die Krankenkassen keine Rechnungen über die zahnärztlichen und zahntechnischen Privatleistungen, die bei ihren Versicherten erbracht wurden, obwohl sie diese Leistungen bezuschusst haben. Das macht es für die Kassen unmöglich, die Leistungen auf ihre Qualität hin zu prüfen und deren Abrechnung nachzuvollziehen. Die Versicherten werden mit der Überprüfung der Rechnung ihres Zahnarztes allein gelassen. Die Kassen fordern daher, die Transparenz bei der Abrechnung zahnärztlicher Leistungen zu verbessern, indem etwa für alle Behandlungsfälle, für die von ihnen Kosten zu übernehmen sind, Rechnungskopien über die tatsächlich erbrachten Leistungen bei ihnen vorgelegt werden müssen.

Qualität stärker sichern

Bisher standen im zahnmedizinischen Bereich eher Maßnahmen der Struktur- und Prozessqualität im Vordergrund. Nunmehr muss es sehr viel stärker um die Sicherung der Ergebnisqualität gehen. Dazu ist es notwendig, wissenschaftliche Indikatoren zu entwickeln, die eine Vergleichbarkeit der zahnärztlichen Leistungen zwischen den Praxen über einen längeren Zeitraum ermöglichen. Qualitätsberichte, wie sie für die Krankenhäuser bereits vorgeschrieben sind, könnten für ein hohes Maß an Transparenz gegenüber den Versicherten und den Kassen sorgen. Bereits vorliegende Behandlungsdaten, z. B. aus Abrechnungen bei den Kassen, sollten im Sinne der Effektivität hierzu genutzt werden dürfen. Für einen solchen Einsatz von Routinedaten im Rahmen der Qualitätssicherung müssen die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Darüber hinaus sprechen sich die Kassen ausdrücklich dafür aus, auch Privatleistungen, für die sie Kosten übernehmen, in die Qualitätssicherung einzubeziehen. Dies sollte durch entsprechende gesetzliche Regelungen sichergestellt werden. Ansonsten fiele ein großer Teil der bei den gesetzlich Krankenversicherten erbrachten zahnärztlichen Leistungen aus der Qualitätssicherung heraus und die Aussagekraft der Qualitätssicherung wäre insgesamt stark eingeschränkt.

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