„Geschätzte 250 Millionen Euro sind den gesetzlichen Krankenkassen bisher durch die fehlerhafte Kennzeichnung der Arzneimittelhersteller entgangen. Das sind Gelder, die der gesetzlichen Krankenversicherung und damit den Beitragszahlern entzogen wurden“, so Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands des GKV-Spitzenverbandes.
Mitte März hat der GKV-Spitzenverband darum sein Vorgehen forciert, die Angaben von Arzneimittelherstellern zur Befreiung vom so genannten Generikaabschlag zu überprüfen. Untersucht wird dabei die unplausible Kennzeichnung von fast 11.000 Produkten. Das Vorgehen ist notwendig, um die finanziellen Ansprüche der gesetzlichen Krankenkassen zu wahren. Seit April 2006 steht den Kassen laut Gesetz ein Abschlag in Höhe von zehn Prozent des Herstellerabgabepreises für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel zu (§ 130a Abs. 3b SGB V) und kann nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen entfallen.
Gemeinsamer Leitfaden definiert Kriterien für Abschlag
Der GKV-Spitzenverband hat den gesetzlichen Auftrag, Details zur Anwendung und Umsetzung des Abschlags zu regeln. Mit den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmen und der Apotheker hat der GKV-Spitzenverband einen Leitfaden konsentiert, der die Kriterien für den Abschlag definiert. Als rabattbefreiend gelten demnach Wirkstoffpatente, ein so genannter Unterlagenschutz, eine einzigartige biologisch-gentechnische Herstellung oder ein Solitärstatus.
Ebenfalls in Abstimmung mit den Herstellerverbänden leitet der GKV-Spitzenverband nun ein Fehlerkontrollverfahren ein. Hierbei werden diejenigen Hersteller, die Präparate mit einer nichtleitfadenkonformen Kennzeichnung gemeldet haben, aufgefordert, innerhalb von vier Wochen entweder die Kennzeichnung zu korrigieren oder die Angaben leitfadenkonform und damit nachvollziehbar zu begründen. Ist die Antwort des Herstellers zur Befreiung zutreffend, streicht der GKV-Spitzenverband das Produkt von der Prüfliste. Reagiert der Hersteller nicht oder entsprechen seine Argumente nicht dem Leitfaden, wird der GKV-Spitzenverband seinen Mitgliedskassen empfehlen, die Rechnungen der Apotheken in Höhe der ausstehenden Rabatte zu kürzen. Das Gesetz sieht vor, dass die Hersteller den Apotheken die gekürzten Beiträge zu erstatten haben. Vor einer Kürzung von Apothekerrechnungen wird der GKV-Spitzenverband den Deutschen Apotheker Verband und die betroffenen Hersteller benachrichtigen.
Erster Schritt umfasst rund 1.500 Produkte
In einem ersten Schritt wird der GKV-Spitzenverband die zweifelhafte Kennzeichnung für ca. 1.500 Arzneimittel von über 100 Herstellern reklamieren. Die Überprüfung erstreckt sich in den kommenden Wochen auf weitere mehr als 9.000 Arzneimittel. Das Bundesgesundheitsministerium unterstützt die Vorgehensweise des GKV-Spitzenverbandes. Die Bewertung der im Fehlerkontrollverfahren vorgebrachten Argumente könnte sich bis in das Jahr 2010 hinziehen, muss aber so rechzeitig abgeschlossen sein, dass die Krankenkassen ihre Ansprüche vor Eintritt der Verjährung geltend machen können. Dies wäre für Arzneimittel, die schon zum 1. April 2006 abschlagspflichtig waren, der 31. Dezember 2010.
Nach § 130a Abs. 3b SGB V wird der Abschlag für die gesetzlichen Krankenkassen für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel wirksam, auch wenn diese unter Festbetrag stehen. Er entfällt bei Festbetragsarzneimitteln, deren Preis einschließlich Mehrwertsteuer mindestens 30 Prozent unter dem jeweils gültigen Festbetrag liegt gerechnet auf Basis der Apothekeneinkaufspreise.