PRESSEMITTEILUNG - BERLIN, 26.11.2009 Positionen für ein zukunftsfestes Gesundheitswesen

GKV-Spitzenverband

Heute hat der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV) zentrale Positionen für ein zukunftsfestes Gesundheitswesen beschlossen. Damit hat das 41-köpfige Gremium, in dem die gewählten Vertreterinnen und Vertreter aller Kassenarten (AOK, BKK, Ersatzkassen, IKK, Knappschaft, Landwirtschaftliche Krankenversicherung) die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) insgesamt repräsentieren, die Leitlinien für die politische Arbeit des GKV-SV in den kommenden Jahren festgelegt.

„Solidarität, Sachleistung und Selbstverwaltung sind die Säulen der gesetzlichen Krankenversicherung, denn sie sichern die gute und wirtschaftliche Versorgung von 70 Millionen Menschen. Auf dieser Basis und durch die Ausweitung des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Akteuren muss die gesetzliche Krankenversicherung weiterentwickelt werden“, so Dr. Volker Hansen und Willi Budde, die alternierenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates des GKV-SV.

„Die Qualität der Leistungen, die z. B. von Ärzten erbracht werden, muss in Zukunft bei der Berechnung der Höhe der Vergütung mit einbezogen werden“, so Hansen und Budde weiter. „Die Rationierung medizinisch notwendiger Leistungen lehnen wir ab. Vielmehr müssen die vorhandenen Wirtschaftlichkeitsreserven mobilisiert werden, indem die Krankenkassen mehr wettbewerbliche Handlungsmöglichkeiten bekommen. Einsparmöglichkeiten sind insbesondere bei Arzneimitteln, im Krankenhausbereich und in nicht koordinierten Prozessen der Leistungserbringung vorhanden. Da wollen wir mit Unterstützung der Politik ran, da muss eine Gesundheitsreform helfen, Kosten zu sparen, ohne dass die Versorgung der Patientinnen und Patienten darunter leidet.“

GKV-Leistungskatalog staatsfern festlegen

„Die Entscheidungen über den einheitlichen Leistungskatalog der GKV müssen auch in Zukunft in einem transparenten Verfahren im Gemeinsamen Bundesausschuss, der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen erfolgen“, so Hansen und Budde.

Finanzierungsfragen klären

In der politischen Grundsatzdebatte um die Systematik der Finanzierung der GKV fordern die Krankenkassen ein Bekenntnis der Politik zu Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit und Gerechtigkeit. „70 Millionen gesetzlich Versicherte haben ein Recht darauf, dass die Politik hier Farbe bekennt und die Finanzfragen der GKV bei einer Reform nicht wieder erneut ausspart“, so die Verwaltungsratsvorsitzenden Hansen und Budde.

Ein Blick auf die Reformagenda …

Künftig muss es möglich sein, dass Krankenkassen bzw. ihre Arbeitsgemeinschaften zunehmend Verträge über die Qualität und den Preis für bestimmte medizinische Leistungen und Versorgungsangebote z. B. mit einzelnen Ärzten, Arztgruppen oder auch Krankenhäusern abschließen dürfen. Dass man in der stationären Versorgung Krankenhäusern und Krankenkassen die Möglichkeit einräumt, für einzelne Leistungen direkte Verträge abzuschließen und dass man in der ambulanten Versorgung das Angebotsmonopol der Hausärzteverbände streicht, sind nur zwei konkrete Beispiele dafür, was getan werden sollte.

Arzneimittel mit sehr hohen Tagestherapiekosten, für die keine Therapiealternativen existieren, sind für 60 Prozent des Ausgabenanstiegs bei Arzneimitteln in den letzten 10 Jahren verantwortlich. Absehbar ist die finanzielle Überforderung des GKV-Systems, wenn auf die Preisbildung dieser so genannten Solisten nicht eingewirkt werden kann. Bei diesen Solisten ist die Einführung einer Pflicht zur Preisverhandlung mit dem jeweiligen pharmazeutischen Hersteller als Voraussetzung für die GKV-Verordnungsfähigkeit dringend geboten. Ziel muss es sein, dass Preise und therapeutischer Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

Es ist ein gutes Signal der neuen Bundesregierung, dass zum Ausgleich der krisenbedingten Einnahmeausfälle im kommenden Jahr der Steueranteil um 3,9 Mrd. Euro erhöht wird. Ein weiterer notwendiger Reformschritt wäre es nun, dass die Krankenkassen für die ALG-II-Empfänger angemessene Beiträge erhalten. Im kommenden Jahr sollen sie bisher für jeden ALG-II-Empfänger nur einen monatlichen Pauschalbeitrag von etwa 135 Euro erhalten. Bei durchschnittlichen GKV-Leistungsausgaben von ca. 260 Euro je Mitglied im Monat wird die Unterfinanzierung der GKV für diesen Personenkreis deutlich. Es ist daher eine gesetzliche Änderung notwendig, die die Zahlung kostendeckender Beiträge für ALG-II-Empfänger durch den Bund sicherstellt. Dies würde die Einnahmensituation der GKV um derzeit rund 4,9 Mrd. Euro jährlich verbessern.

Soziale Pflegeversicherung zukunftsfähig gestalten

Der GKV-Spitzenverband ist der Spitzenverband aller Pflegekassen in Deutschland. Ein wesentlicher Bestandteil des heute von seinem Verwaltungsrat beschlossenen Positionspapiers ist die Zukunft der sozialen Pflegeversicherung.

Perspektivwechsel notwendig

Seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 setzen sich gesellschaftliche Entwicklungen fort, die sich in den Erwartungen und Anforderungen der pflegebedürftigen Menschen wiederfinden. Sie wollen verstärkt auch im Alter zu Hause leben und gepflegt werden. Ihre weitgehende Unabhängigkeit ist ihnen wichtig. Unterschiedliche Lebensentwürfe erfordern unterschiedliche Formen der Pflege. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz stetig zu, je älter die Bevölkerung wird. Auf diese Veränderungen muss die Pflegeversicherung reagieren. Zentrale Herausforderung in dieser Legislaturperiode ist deshalb die Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes. Nicht mehr die Pflegezeit, sondern der Grad der Selbständigkeit muss in Zukunft der Maßstab für die Einstufung in eine Pflegestufe sein.

Bestandsschutz als Grundlage für Akzeptanz der Reform

Wichtig für die Akzeptanz neuer Regelungen ist Verlässlichkeit auch für diejenigen, die bereits Leistungen beziehen. Da nicht auszuschließen ist, dass ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff bei der Begutachtung zu anderen Ergebnissen als bisher führt, ist eine sachgerechte individuelle Bestandsschutzregelung geboten. Struktureller Bestandsschutz, z. B. in Bezug auf Leistungen für Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, sollte bestehen bleiben, um sowohl die wichtigen pflegepolitischen Zielsetzungen, aber auch die erforderliche Flexibilität und Bedarfsgerechtigkeit nicht zu gefährden.

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