PRESSEMITTEILUNG - BERLIN, 06.11.2024 Prävention ist mehr als Medizin

GKV-Spitzenverband

Portrait von Frau Stefanie Stoff-Ahnis, Mitglied des Vorstandes des GKV-Spitzenverbandes

Stefanie Stoff-Ahnis

Heute diskutiert der Bundestag in erster Lesung den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz-GHG). Hintergrund ist, dass in Deutschland zwar sehr hohe Kosten für die gesundheitliche Versorgung insgesamt anfallen, die Ergebnisse im internationalen Vergleich aber nur durchschnittlich gut sind. Der GKV-Spitzenverband unterstützt grundsätzlich das Ziel, die Herzgesundheit in Deutschland zu stärken. Allerdings sind die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen hierzu insgesamt wenig geeignet.

Dazu erklärt Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes: „Viele westeuropäische Länder erreichen mit geringeren Mitteln eine höhere Lebenserwartung. Eine wesentliche Rolle sollte dabei auch in Deutschland ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz spielen, bei dem alle in der Verantwortung stehenden Akteure sowohl im Bund als auch in den Ländern und Kommunen aktiv sind, um den Konsum von Alkohol, Tabak und ungesunden Lebensmitteln zu reduzieren und gesundheitsfördernde Lebensumstände zu schaffen. Primärprävention ist der wirksamste Hebel zur Senkung der Herz-Kreislauf-Mortalität, hat aber noch immer einen zu geringen Stellenwert in Politik und Gesellschaft. Das zeigt sich auch im Gesundes-Herz-Gesetz: Mit ihm setzt die Bundesregierung einseitig auf eine zunehmende Medikalisierung von Krankheitsrisiken, verhältnispräventive Maßnahmen werden weitgehend ausgeblendet. Aber Prävention ist mehr als Medizin.“

Neue Früherkennungsleistungen mit fraglichem Nutzen

Nach den Gesetzesplänen soll der Gemeinsame Bundesausschuss verpflichtet werden, eine ganze Reihe von neuen Untersuchungen zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einzuführen. Inhalt und Ausgestaltung dieser neuen Angebote werden im Gesetz zum Teil bis in kleinste Details festgelegt. Tatsächlich hat der Gemeinsame Bundesausschuss bereits den gesetzlichen Auftrag, auf Grundlage der evidenzbasierten Medizin Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit aller Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu prüfen. Diese bewährten Qualitätsmaßstäbe werden von den kleinteiligen gesetzlichen Vorgaben konterkariert. Allen Versicherten stehen im Übrigen schon jetzt regelmäßige Check-Ups im Leistungskatalog der GKV zur Verfügung.

„Die Einführung neuer Leistungen durch den Gesetzgeber stellt hier einen Rückschritt im Vergleich zu den in den letzten Jahrzehnten erreichten Bewertungsstandards der evidenzbasierten Medizin im Gemeinsamen Bundesausschuss dar. Das ist umso problematischer, als dass jedes Screeningprogramm grundsätzlich auch ein Schadenspotential birgt und daher eine sorgsame Abwägung der Vorteile gegen die Nachteile dringend notwendig ist“, betont Stoff-Ahnis.

Mittel für Primärprävention gehen verloren

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die Ausweitung bei den medizinischen Maßnahmen kostenneutral erfolgen, indem Finanzmittel, die die Krankenkassen derzeit für Primärprävention ausgeben, umgewidmet werden. Die Folge: Krankenkassen müssen ihre Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention drastisch einschränken und letztendlich ganz einstellen, da die rechnerisch hierfür maximal zur Verfügung stehenden Finanzmittel in Höhe von 186 Mio. Euro vollständig in medizinische Leistungen umgelenkt werden. Konkret betroffen wären Maßnahmen wie Bewegungsangebote in Sportvereinen, Angebote zum Stress- und Ressourcenmanagement, zur gesunden Ernährung und Gewichtsreduktion, Kompaktangebote für pflegende Angehörige sowie auch digitale Präventionsangebote. Zugleich würde die erklärte Kostenneutralität nicht erreicht, denn die Umsetzung der medizinischen Maßnahmen würde zu erheblichen Zusatzkosten für die GKV führen.

„Das Abziehen der Gelder aus der Primärprävention widerspricht der in der Wissenschaft und Praxis allgemein geteilten Auffassung, dass es eine Stärkung von Maßnahmen für einen gesundheitsförderlichen Lebensstil in Kombination mit Public-Health-Maßnahmen braucht. Dass durch mehr Medizin in Verbindung mit weniger Prävention die angestrebte Verringerung der Krankheitslast erreicht werden kann, ist mehr als fraglich. Tatsächlich handelt es sich beim Gesundes-Herz-Gesetz um ein Präventionskürzungsgesetz, in dem die Mittel für die Primärprävention zugunsten einer weiteren Medikalisierung zusammengestrichen werden“, so Stoff-Ahnis.