Bereits zum 7. Mal legte der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes seinen Bericht über die ‚Arbeit und Ergebnisse der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen‘ vor. Für die Jahre 2020/2021 stellt der Bericht die Arbeitsschwerpunkte des GKV-Spitzenverbandes und der Krankenkassen in diesem Bereich dar, er führt die Ergebnisse der Tätigkeitsberichte der 96 Mitgliedskassen zu einer GKV-Gesamtsicht zusammen und leitet aktuelle Positionen und Forderungen an die Politik ab.
Hoher Schaden trotz erschwerter Kontrollen aufgrund der Corona-Pandemie
17 Prozent weniger Neufälle von Fehlverhalten im Gesundheitswesen zeigt der 7. Fehlverhaltensbericht auf. Damit ist erst mal ein Rückgang verfolgter Neufälle zu verzeichnen (2020/2021: 23.341 Neufälle | 2018/2019: 28.197 Neufälle). Ebenso verringerten sich auch die bei den Kassen angezeigten Fehlverhaltens-Hinweise um 6,5 Prozent (2020/2021: 39.600 Hinweise | 2018/2019: 42.350 Hinweise). Nach Einschätzung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen ist dies auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, da u. a. die Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen des Medizinischen Dienstes ausgesetzt wurden. Die Pandemie hat zudem die Hinweisprüfung und die Ermittlung von Neufällen verzögert sowie die Verfahrensdauer der verfolgten Bestandsfälle verlängert.
Dazu erklärt Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes: „Obwohl während der Corona-Pandemie nicht in der bisherigen Intensität geprüft werden konnte, beträgt der ermittelbare entstandene Schaden für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung rund 132 Millionen Euro. Davon konnte nur weniger als die Hälfte erfolgreich zurückgeholt werden. Die hohen Millionenbeträge fehlen der Solidargemeinschaft bei der Versorgung der Versicherten. Diese Summe ist aber vermutlich nur ein Bruchteil des tatsächlichen Schadensumfangs, denn das Dunkelfeld ist bekanntermaßen sehr viel höher. Wir appellieren an die Bundesregierung, eine kriminologische Dunkelfeldstudie zu veranlassen, wie es die Justizministerkonferenz bereits im letzten Jahr einstimmig beschlossen hat.“
Dunkelfeldstudie zu Fehlverhalten im deutschen Gesundheitswesen fehlt
Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen ist ein „Kontrolldelikt“. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) muss bei der Bekämpfung von Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen von einem erheblichen Dunkelfeld ausgegangen werden. Während es in den europäischen Nachbarländern bereits umfangreiche kriminologische Dunkelfeldforschung zum Gesundheitswesen gibt, sucht man eine belastbare Dunkelfeldstudie in Deutschland nach wie vor vergeblich. Die Bundesregierung muss eine unabhängig geförderte kriminologische Studie zum Dunkelfeld von Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen in Auftrag geben.
Leistungsbereich Häusliche Krankenpflege entwickelt sich zum Brennpunkt
Die differenzierte Analyse der vorliegenden Kennzahlen im Bericht zeigt, dass grundsätzlich alle Leistungsbereiche der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch Unregelmäßigkeiten wie die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen, die Abrechnung nicht mit vertragsgemäßer Qualifikation erbrachter Leistungen, unzulässige Zusammenarbeit oder Urkundenfälschung betroffen sind. Die mit Abstand höchsten Forderungen von über 14,96 Millionen Euro konnten im Leistungsbereich der Häuslichen Krankenpflege gesichert werden. Erstmals sind in diesem Leistungsbereich aber auch die mit Abstand höchsten Schäden in Höhe von 29,60 Millionen Euro entstanden. Die Häusliche Krankenpflege entwickelte sich damit zu einem Brennpunkt der Fehlverhaltensbekämpfung im Gesundheitswesen.
Hintergrund
Die bei allen gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und beim GKV-Spitzenverband eingerichteten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen gehen gem. §§ 197a SGB V, 47a SGB XI Hinweisen nach, die auf „Unregelmäßigkeiten“ oder eine „rechtswidrige Nutzung von Finanzmitteln“ im Zusammenhang mit den Aufgaben der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung hindeuten, insbesondere Abrechnungsbetrug und Korruption. Wenn die Prüfung ergibt, dass ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung bestehen könnte, sollen die Kranken- und Pflegekassen unverzüglich die Staatsanwaltschaft unterrichten.