Im Gespräch mit dem Handelsblatt sprach die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer, über den Koalitionsvertrag, die aktuelle Diskussion zur Impfpflicht und die Corona-Hilfen für die Kliniken. Neben einer klaren persönlichen Aussage zur Impfpflicht betonte sie: „Ich hoffe doch sehr, dass sich noch mehr Menschen impfen lassen und sich davon überzeugen lassen, dadurch die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf zu verringern“.
Kapazitätsgrenzen wegen Corona in Sicht
„Wir sehen“, so Pfeiffer weiter im Handelsblatt-Interview, „dass die Intensivstationen im Osten und Süden volllaufen. Gleichzeitig gibt es in anderen Bundesländern noch freie Kapazitäten, die durch Verlegungen genutzt werden. Aber auch hier könnte das Gesundheitssystem in absehbarer Zeit an seine Grenzen kommen.“
Kliniken gezielt unterstützen
„Bisher sind Versorgungsaufschläge beschlossen worden, um gezielt die Covid-Fälle zusätzlich zu finanzieren“, sagte sie zum Handelsblatt mit Blick auf die geplante zusätzliche Unterstützung der Kliniken. Das setze keine falschen Anreize. „Problematisch wäre“, so Pfeiffer weiter, „die Wiedereinführung von Freihaltepauschalen. Im vergangenen Jahr wurde für praktisch jedes leere Krankenhausbett eine Freihaltepauschale gezahlt, zu Beginn selbst in der Psychiatrie. Das will man jetzt nicht mehr machen. Und ich hoffe, es bleibt dabei.“
Licht und Schatten im Koalitionsvertrag
„Wir begrüßen eine ganze Reihe von Punkten“, erläutert Pfeiffer, „etwa die schnellere Digitalisierung, die Krankenhauslandschaft zu strukturieren oder etwa das Vorhaben, unnötige stationäre Behandlungen in Kliniken stärker ambulant zu erbringen. Die Frage ist natürlich, wie die Maßnahmen konkret umgesetzt werden.“ Positiv sei auch, dass die Ampel die Finanzlage der Kassen angehen will.
Finanzielles Risiko ohne Mehrwert für Patientinnen und Patienten
Es gebe einige Maßnahmen, die für die längerfristige finanzielle Stabilität der GKV wichtig sind. Dass die Ampel den regulären Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen von 14,5 Milliarden Euro den steigenden Ausgaben anpassen wolle, sei ein wichtiges Signal. „Nun kommt es aber darauf an, dass der Zuwachs so festgelegt wird, dass die Inflation und die steigenden Leistungsausgaben abgebildet werden. Auch die Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge der Arbeitslosengeld-2-Bezieher entlastet die Kassen erheblich. Aber auch hier kommt es auf Detailfragen an - etwa, ob tatsächlich die gesamten Kosten refinanziert werden, was angemessen wäre. Durch diese Maßnahmen könnten die Einnahmen dann um zehn Milliarden Euro steigen“, so Pfeiffer zum Handelsblatt. Aber die „Aufhebung der Budgetierung für Hausärzte kann richtig teuer werden. Als nächstes wollen dann vermutlich auch die Fachärzte eine solche Regelung. Das ist ein großes finanzielles Risiko, ohne dass ein Mehrwert für Patientinnen und Patienten zu erkennen ist.“
Rückkehr zu klarer finanzieller Verantwortung notwendig
Im Zusammenhang mit den anstehenden politischen Entscheidungen zur weitere Finanzierung der solidarischen Krankenversicherung verwies Pfeiffer gegenüber dem Handelsblatt auf einen sehr grundlegenden Punkt: „Generell sollte die gesetzliche Krankenversicherung nicht auf Dauer Bundesmittel brauchen, um ihre Defizite zu decken. Steuern sollten nur dann kommen, wenn die Krankenkassen gesamtgesellschaftliche Aufgaben stemmen müssen, wie etwa die Finanzierung der Beiträge der Arbeitslosengeldempfänger oder den Bevölkerungsschutz in der Pandemie. Diese ordnungspolitische Trennung muss die Ampel sauber vollziehen. Und sie muss an weitere Ausgaben ran. Hier ist der Krankenhaussektor ein ganz entscheidender Punkt. Es ist ja gerade in der Pandemie deutlich geworden, dass Fälle in spezialisierten Häusern behandelt werden müssen und es nicht darauf ankommt, überall ganz viele Krankenhäuser zu haben.“