(18.05.2018) Mit eigenen Vorschlägen zur vertieften europäischen Zusammenarbeit der EU-Mitglieder bei der Bewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Health Technology Assessment, HTA) hat der GKV-Spitzenverband in seiner aktuellen Stellungnahme auf einen Verordnungsentwurf der EU-Kommission reagiert. Statt wie Brüssel auf bindende Vorgaben zu setzen, machen sich die gesetzlichen Krankenkassen dafür stark, bestehende Kooperationen fortzuführen und nur schrittweise auszuweiten.
„Den Austausch von nationalen HTA-Bewertungen zu verbessern, ist grundsätzlich richtig. Alle Patientinnen und Patienten in der Europäischen Union sollten von wissenschaftlich fundierten und unabhängigen Informationen über den Nutzen von Arzneimitteln und Medizinprodukten profitieren“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Problematisch ist jedoch der jetzt von der EU-Kommission vorgeschlagene Weg. Mit dem im Verordnungsentwurf vorgesehenen Verfahren würde der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Obwohl methodische Bewertungskriterien zunächst offen bleiben, soll die Umsetzung sofort verpflichtend werden. Dies hätte gravierende, ungewollte Nebenwirkungen. Zielführender wäre eine europäische Zusammenarbeit, bei der die mitgliedstaatlichen HTA-Organisationen eine starke Rolle übernehmen.“
Heute bewerten Mitgliedstaaten neue Arzneimittel methodisch sehr unterschiedlich. Das liegt an jeweils national ausgerichteten Bewertungszielen und einer jeweils eigenen Organisation der gesundheitlichen Versorgung. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes würde die geplante verpflichtende Harmonisierung der HTA-Bewertungen selbst bei denjenigen EU-Staaten zu Einschnitten in der Versorgung führen (Zeit und Kosten für den Aufbau von Institutionen, Personal und Verfahren), deren nationalen Gesetze bisher keine HTA-Bewertungen vorsahen. Eine Überforderung der nationalen Gesundheitssysteme sei nicht auszuschließen. Pfeiffer weiter: „Und das wäre dann genau das Gegenteil dessen, was die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag intendiert. Solange keine Einigkeit über Methodik, Ergebnisdarstellung und Transparenz der Datengrundlage erreicht ist, müssen gemeinsame klinische Bewertungen freiwillig bleiben. Erst wenn nationale Entscheidungssysteme und gemeinsame HTA-Berichte sinnvoll ineinandergreifen, kann eine verpflichtende Übernahme in allen EU-Mitgliedstaaten zweckmäßig sein.“ Dies betrifft auch Deutschland, das durch die gesetzliche Vorgabe, den sofortigen Marktzugang und damit die Erstattungspflicht für die Krankenkassen für alle zugelassenen Arzneimittel zu ermöglichen, besonders auf ein transparentes und mit den Regelungen zur Gesundheitsversorgung abgestimmtes HTA-Verfahren angewiesen ist.
Statt Vereinheitlichung und Zentralisierung der HTA-Bewertungen in den Mitgliedstaaten, sollte die Kooperation im Vordergrund stehen, argumentiert der GKV-Spitzenverband. Daher lohne es sich an die ersten Erfolge bei der klinischen Bewertung im Rahmen des Projekts EUnetHTA anzuknüpfen. „Wenn es gelingt, aus EUnetHTA heraus eine Weiterentwicklung anzustoßen, kann eine Kooperation bei einer unabhängigen Bewertung von Gesundheitstechnologien deutlich verbindlicher werden, ohne auf eine nationale Steuerung zu verzichten“, so Pfeiffer.
Hintergrund:
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass künftig HTA-Experten aus den Mitgliedstaaten in einer Koordinierungsgruppe gemeinsam bewerten, ob ein Arzneimittel einen Zusatznutzen gegenüber der Standardtherapie aufweist oder nicht. Das Ergebnis soll für alle Mitgliedstaaten bindend sein. Eigene klinische Bewertungen sollen die EU-Mitgliedsstaaten nicht mehr vornehmen. Die EU-Kommission hält den Markt¬zugang für innovative Medikamente, Medizinprodukte und Diagnostika durch die unterschiedlichen nationalen HTA-Verfahren und -Methoden für erschwert. Das führe zu höheren Kosten für die Unternehmen, zur Parallelarbeit der nationalen HTA-Organisationen und für die Patientinnen und Patienten zu einem verzögerten Zugang zu Innovationen. Das will sie mit ihrer Gesetzesinitiative ändern.