Mit einem im Deutschen Bundestag zur Entscheidung anstehenden Gesetzentwurf soll für mehr Tempo bei der Bewertung von neuen Behandlungsverfahren im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gesorgt werden. Das geht nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes jedoch auf Kosten der Patientensicherheit. „Natürlich wollen auch die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten neue Behandlungsverfahren schnell zugänglich machen. Mindestens genauso wichtig wie Schnelligkeit ist für uns aber die Sicherheit von Patientinnen und Patienten. Es macht keinen Sinn, eine neue Behandlungsmethode schnell einzuführen, wenn das Verhältnis von Nutzen und Risiko unbekannt ist“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.
Die entsprechenden Änderungen finden sich im Gesetzentwurf zur Errichtung des Implantateregisters Deutschland (EIRD), über den der Gesundheitsausschuss am kommenden Montag berät. Der GKV-Spitzenverband hält die Vorschläge für hochproblematisch. Hinter dem vermeintlich patientenfreundlichen Ansatz, Beratungszeiten im G-BA zu verkürzen, steht eine systematische Neuausrichtung der Bewertung von Innovationen: Es besteht das Risiko, dass Anforderungen an Qualität und Sicherheit bei der Einführung neuer Leistungen in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abgesenkt werden. Außerdem könnte das Bundesgesundheitsministerium direkt fachlich eingreifen und steuern. Das bisher auf aussagekräftigen wissenschaftlichen Daten basierende Beratungsverfahren des G-BA droht unterlaufen zu werden. „Mit dem Gesetzentwurf reicht künftig ein behaupteter medizinischer Bedarf aus, damit eine neue Leistung von der GKV im ambulanten Bereich bezahlt werden muss. Das Versprechen auf Heilung soll Studienerkenntnisse zu Nutzen und Risiken ersetzen“, so Dr. Doris Pfeiffer.
Die Gesetzesänderungen im Detail
Sollen heute neue Leistungen in die ambulante Versorgung einbezogen werden, trifft der G-BA nach derzeitiger Rechtslage eine differenzierte Abwägungsentscheidung auf Basis der gültigen Verfahrensordnung. Er klärt, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse und welche Belege zur Einführung einer neuen Leistung vorliegen.
Nach dem Gesetzentwurf soll das BMG ermächtigt werden, dem G-BA detaillierte Verfahrensvorgaben zum Beratungsablauf zu machen sowie auch die Anforderungen an die Unterlagen zur Nutzenbewertung und den Abwägungsprozess vorzuschreiben. Das Bundesgesundheitsministerium könnte so unmittelbar in die fachliche Verantwortung des G-BA eingreifen. Es würde faktisch die Fachaufsicht übernehmen. Im Moment übt das Ministerium nach höchstrichterlicher Rechtsprechung lediglich eine Rechtsaufsicht aus (Bundessozialgericht Az.: B 6 A 1/08R). Das heißt, das Ministerium prüft, ob die Entscheidungen den rechtlichen Vorgaben entsprechen und beanstandet diese gegebenenfalls.
Bei fehlenden Studiendaten kann der G-BA bisher einen Beschluss aussetzen und so den Weg für eine Erprobungsstudie eröffnen. Aus dieser Kann-Regelung soll eine Pflicht werden: Liegen zu einer neuen Methode noch keine ausreichenden Daten vor, wird der G-BA künftig generell verpflichtet, eine Erprobungsstudie auf Kosten der Beitragszahler durchzuführen. „Die Hersteller von Medizinprodukten und die Leistungsanbieter werden damit völlig aus der Finanzierungsverantwortung entlassen. Hier soll offensichtlich mit Geldern der GKV-Beitragszahler künftig Wirtschafts- und Forschungsförderung betrieben werden“, so Pfeiffer weiter. „Zusammen mit den verkürzten Fristen ist zudem zu befürchten, dass künftig reine Anwendungsbeobachtungen ohne echten wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn die bisher geforderten qualitativ hochwertigen Studien ersetzen.“
Patientensicherheit: Innovationen unter kontrollierten Bedingungen erproben
Der GKV-Spitzenverband setzt sich dafür ein, dass die gültigen und international anerkannten Bewertungskriterien für neue Behandlungsverfahren erhalten bleiben und die Patientensicherheit oberstes Ziel der Innovationsbewertung ist. Pfeiffer: „Solange ein Nutzen noch nicht belegt ist, sollten Methoden nur im Rahmen klinischer Studien erbracht werden. Damit gäbe es einen schnellen und zugleich abgesicherten Zugang in die Versorgung, ohne Patientinnen und Patienten einem erhöhten Risiko auszusetzen.“ Primär sieht der GKV-Spitzenverband Hersteller und Leistungsanbieter in der Pflicht, geeignete Studienkonzepte zu entwickeln und die Studien durchzuführen. „Die Krankenkassen leisten ihren Beitrag, indem sie die Kosten für die erforderlichen medizinischen Leistungen im Rahmen dieser Studien finanzieren. Reine Wirtschafts- und Forschungsförderung gehört nicht zur Aufgabe der GKV“, so Pfeiffer.