Der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Erkrankungen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Während psychische Erkrankungen früher noch oft verschwiegen wurden und häufig keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen wurde, wird heute viel stärker über psychische Erkrankungen gesprochen. Sie sind weniger tabuisiert. Für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) gehören psychotherapeutische Leistungen selbstverständlich zum Leistungsspektrum – und das schon seit den 1970er Jahren. Inzwischen ist das psychotherapeutische Angebot deutlich gewachsen. Es gibt vier Richtlinienverfahren, der Zugang ist flexibler und einfacher geworden und die Anzahl der versorgenden medizinischen und psychotherapeutischen Fachkräfte ist um ein Vielfaches gestiegen. Dass auch die Inanspruchnahme von Therapien steigt, ist ein gutes Zeichen: Immer mehr Betroffene finden den Mut, sich professionelle Hilfe zu holen.
Wer hat Anspruch auf eine ambulante Psychotherapie?
Alle gesetzlich Versicherten (Kinder, Jugendliche und Erwachsene) haben grundsätzlich Anspruch darauf. Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die GKV sind:
- Der oder die Versicherte hat eine klinisch relevante psychische Störung (nach §27 Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses). Dazu zählen z.B. Depressionen, Angststörungen und Essstörungen.
- Die Psychotherapie dient dazu, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Wenn eine Psychotherapie der Beratung dient (zum Beispiel zu Erziehung, Ehe, Sucht, Sexualität, allgemeine Lebenshilfe), ist sie keine Leistung der GKV. Hierfür gibt es Beratungsstellen und sozialpsychiatrische Dienste mit passgenauen Angeboten.
Wer darf Psychotherapien durchführen und mit der GKV abrechnen?
Folgendes medizinischen Fachpersonal darf GKV-Versicherte nach der Psychotherapie-Richtlinie ambulant versorgen:
- Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten
- Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten
- Ärztliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten
- Fachärztinnen und -ärzte für Psychiatrie und Psychotherapie
- Fachärztinnen und –ärzte für Psychosomatik und Psychotherapie
Therapeutische Behandlungsverfahren und Angebote
Es gibt vier ambulante Richtlinienverfahren. Alle können als Einzel- oder Gruppentherapie oder als Kombination aus beidem angewandt werden und als Kurz- oder Langzeittherapie erfolgen.
- Analytische Psychotherapie
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Verhaltenstherapie
- Systemische Therapie (nur für Erwachsene)
Versicherte haben Anspruch auf folgende Angebote:
- Psychotherapeutische Sprechstunde (Ein schneller und niedrigschwelliger Erstkontakt zur Psychotherapeutin oder zum Psychotherapeuten. Es wird abgeklärt, welche Behandlung nötig ist und ob es weitere Hilfsmöglichkeiten geben muss.)
- Gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung (Eine niedrigschwellige therapeutische Intervention in der Gruppe, die der Patientin oder dem Patienten ermöglicht, einen Eindruck von einer Gruppenpsychotherapie zu erhalten)
- Probatorische Sitzungen (In Vorgesprächen werden Krankheitsbild und Therapieverfahren geklärt. Auch wird geprüft, ob Therapeutin oder Therapeut und Patientin oder Patient zusammenpassen. Dies sind Voraussetzungen, um bei der GKV eine Richtlinientherapie zu beantragen)
- Psychotherapeutische Akutbehandlung (Zur kurzfristigen Stabilisierung bei akuten psychischen Krisen)
- Psychotherapeutisches Gespräch (Einzelgespräch zur therapeutischen oder Krisenintervention)
- Kurzzeittherapie
- Langzeittherapie
- Rezidivprophylaxe (Stabilisierung nach einer Langzeittherapie zur Vermeidung von Rückfällen)
Der Weg zur Psychotherapie
Die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen vermitteln auch Termine bei Psychotherapeutinnen und –therapeuten. Sie sind verpflichtet, Versicherten einen Termin innerhalb von vier Wochen zu ermöglichen. Wenn in einer psychotherapeutischen Sprechstunde ein dringender Bedarf für eine Akutbehandlung festgestellt wurde, vermitteln die Terminservicestellen innerhalb von zwei Wochen. Die meisten Betroffenen wenden sich jedoch direkt an therapeutische Praxen. Um den Kontakt zu erleichtern, sind Praxen seit 2017 verpflichtet, telefonische Sprechzeiten von 200 Minuten pro Woche (bei vollem Versorgungsauftrag) anzubieten. Darüber hinaus helfen hausärztliche Praxen und die Terminservices der Krankenkassen bei der Terminvermittlung.
Wartezeiten
Die Zeit bis zur fachärztlichen Behandlung sollte immer möglichst kurz sein. Das gilt vor allem für Patientinnen und Patienten, die unter womöglich auch schweren psychischen Krankheiten leiden und denen es dadurch besonders schwerfällt, Hilfe zu suchen. Zu den tatsächlichen Zeiten, die von der Kontaktaufnahme bis zum Behandlungsbeginn vergehen, gibt es immer wieder Befragungen und Studien. Diese kommen zu verschiedenen Ergebnissen, was an unterschiedlichen Fragestellungen, Befragungsgruppen oder Auswertungsmechanismen liegt. Darum ist es zum Teil auch nicht möglich, die verschiedenen Ergebnisse zu vergleichen.
Der GKV-Spitzenverband hat eine Versichertenbefragung durchgeführt. Dabei wurde unter anderem danach gefragt, wieviel Zeit bis zum Erstgespräch und bis zum Therapiebeginn vergeht. Demnach vergehen für 79 Prozent der GKV-Versicherten weniger als vier Wochen von der Terminvereinbarung bis zum ersten persönlichen Kontakt. Von Erstkontakt bis Behandlungsbeginn sind es für 93 Prozent maximal vier Wochen.