Elf Mal konnten sich Pharmafirmen und der GKV-Spitzenverband seit Jahresanfang im Rahmen von Verhandlungen gemäß den Vorgaben des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) auf einen Erstattungsbetrag für neue Arzneimittel verständigen. Nur ein Mal musste bisher die Schiedsstelle entscheiden. Unter den erfolgreich verhandelten Arzneimitteln sind zwei sogenannte orphan drugs für die Behandlung seltener Leiden, bei denen eine Einigung im Vorfeld als besonders schwierig galt. Auch ein Diagnostikum befindet sich unter den ersten zwölf Ergebnissen. Bei zehn der zwölf verhandelten Arzneimitteln stellte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen Zusatznutzen fest. Diese Fakten zeigen, dass ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der pharmazeutischen Industrie und den Kassen zu neuen Arzneimitteln auf dem Verhandlungswege möglich ist.
Verhandelte Arzneimittel (Wirkstoffe) im Detail
Brilique® (Ticagrelor) von AstraZeneca: Brilique® gleichzeitig eingenommen mit Acetylsalicylsäure (ASS) ist indiziert den Verschluss von Blutgefäßen bei erwachsenen Patienten mit bestimmten, akuten Herzkranzgefäßerkrankungen zu vermeiden. Die Vereinbarung gilt seit dem 1. Januar 2012. Der G-BA hatte dem Medikament im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie einen Beleg für einen beträchtlichen Zusatznutzen für die Mehrheit der Patienten zuerkannt. Ausgenommen sind die Patienten, die eine herzkathetergestützte Behandlung eingeengter Herzkranzgefäße erhielten, sofern diese einen nichtblutungsbedingten Schlaganfall oder eine vorübergehende Durchblutungsstörung des Gehirns (eine sogenannte TIA) in der Krankengeschichte aufweisen oder älter als 75 Jahre sind und nach einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung für eine Therapie mit Prasugrel und ASS nicht infrage kommen. Für diese Patienten wurde ein auf Anhaltspunkten basierender nicht quantifizierbarer Zusatznutzen festgestellt.
Eliquis® (Apixaban) von Bristol-Myers Squibb/ Pfizer Pharma GmbH: Eliquis® ist zugelassen zur Verbeugung von Thrombosen nach Hüft- oder Kniegelenksersatzoperationen. Die Vertriebsgemeinschaft Bristol-Myers Squibb/ Pfizer und der GKV-Spitzenverband haben sich auf die wesentlichen Eckpunkte einer Vereinbarung verständigt. Die Regelungen gelten seit dem 15. Juni 2012. In der frühen Nutzenbewertung hatte der G-BA für die Patienten mit einer Kniegelenkersatzoperation keinen Zusatznuten für Eliquis® festgestellt. Für die Patientengruppe mit einer Hüftgelenkersatzoperation sah der G-BA einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen von Apixaban.
Esbriet® (Pirfenidon) von InterMune Deutschland: Esbriet® ist ein orphan drug, mit dem erwachsene Patienten mit leichter bis mittelschwerer Lungenfibrose (unbekannter Ursache) behandelt werden. Die Vereinbarung gilt seit dem 15. September 2012. Ausgangspunkt für die Verhandlungen war die Bewertung des G-BA, der das Ausmaß des Zusatznutzens als nicht quantifizierbar eingestuft hatte. Für Arzneimittel gegen seltene Leiden gilt per Gesetz der Zusatznutzen mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung grundsätzlich als belegt.
Gilenya® (Fingolimod) von Novartis Pharma: Gilenya® wird zur Therapie von Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (RR-MS) eingesetzt, die entweder mit Beta-Interferonen vorbehandelt wurden oder bei denen die Krankheit einen schweren Verlauf nimmt. Die Vereinbarung gilt seit dem 15. April 2012. Für Gilenya® hat die Bewertung des G-BA für eine größere Patientengruppe keinen Zusatznutzen ergeben; für Patienten mit rasch fortschreitender, schwerer RR-MS stellte der G-BA einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen aufgrund verminderter grippeähnlicher Symptome fest.
Halaven® (Eribulin) von Eisai: Mit Halaven® werden Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs versorgt, bei denen nach mindestens zwei Chemotherapien zur Behandlung einer fortgeschrittenen Brustkrebserkrankung eine weitere Verschlechterung eingetreten ist. Die Vortherapien sollen ein Anthrazyklin und ein Taxan enthalten haben; es sei denn, diese Behandlungen waren ungeeignet für den Patienten. Die Vereinbarung gilt seit dem 1. Mai 2012. Für Halaven® hat die G-BA-Bewertung für eine größere Patientengruppe einen Anhaltspunkt auf einen geringen Zusatznutzen ergeben; für eine kleinere Patientengruppe liegt ein Anhaltspunkt für einen geringeren Nutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie vor.
Incivo® (Telaprevir) von Janssen-Cilag: Incivo® wird in Kombination mit Peginterferon alfa und Ribavirin zur Behandlung der chronischen Hepatitis C vom Genotyp 1 bei erwachsenen Patienten mit teilweise fortgeschrittener Lebererkrankung (einschließlich Zirrhose) eingesetzt. Das sind sowohl Patienten, die nicht vorbehandelt sind, als auch Patienten, die entweder mit Interferon alfa allein oder in Kombination mit Ribavirin vorbehandelt wurden. Die Gruppe der vorbehandelten Patienten umfasst ebenfalls Patienten, die einen Rückfall erlitten haben, sowie Patienten mit partiellem Ansprechen oder Patienten mit fehlendem Ansprechen. Die Vereinbarung gilt seit dem 15. Oktober 2012. Für beide Patientengruppen, also die nicht vorbehandelten als auch die vorbehandelten, hatte der G-BA einen Hinweis auf einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen festgestellt.
Jevtana® (Cabazitaxel) von Sanofi-Aventis Deutschland: Jevtana® wird in der Therapie vorbehandelter Patienten mit metastasiertem fortgeschrittenem Prostatakrebs eingesetzt. Die Vereinbarung gilt seit dem 15. April 2012. Für Jevtana® hat die Bewertung des G-BA für eine größere Patientengruppe einen Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen ergeben; für eine kleinere Patientengruppe gilt der Zusatznutzen als nicht belegt.
Rapiscan® (Regadenoson) von Rapidscan Pharma Solution EU: Das Diagnostikum wird im Rahmen einer nuklearmedizinischen Untersuchung des Herzens eingesetzt und dient dazu, Minderdurchblutungen des Herzmuskels zu erkennen. Die Vereinbarung gilt seit dem 15. April 2012. Den Verhandlungen war die frühe G-BA-Nutzenbewertung vorausgegangen, die den Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie mit Adenosin als nicht belegt ansieht.
Victrelis® (Boceprevir) von MSD Sharp & Dohme: Victrelis® ist indiziert zur Behandlung der chronischen Hepatitis C (CHC)-Infektion vom Genotyp 1 in Kombination mit Peginterferon alfa und Ribavirin bei erwachsenen Patienten mit teilweise fortgeschrittener Lebererkrankung, die nicht vorbehandelt sind oder die nicht auf eine vorangegangene Therapie angesprochen bzw. einen Rückfall erlitten haben. Die Vereinbarung gilt seit dem 1. September 2012. Für beide Patientengruppen, also die nicht vorbehandelten als auch die vorbehandelten, stellte der G-BA einen Hinweis auf einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen fest.
Vyndaqel® (Tafamidis Meglumin) von Pfizer Pharma ist ein orphan drug, das zur Verlangsamung von beginnenden Nervenschädigungen bei Erwachsenen mit einer erblichen „Transthyretin-Amyloidose“ eingesetzt wird. Bei dieser seltenen Krankheit ist infolge eines erblichen Gendefekts ein Bluteiweiß so verändert, dass es sich vor allem in den Nerven ablagert. Pfizer Pharma und der GKV-Spitzenverband haben wesentliche Eckpunkte vereinbart, die ab dem 15. Dezember 2012 gelten werden. In der vorangegangenen frühen Nutzenbewertung hatte der G-BA dem Arzneimittel einen geringen Zusatznutzen attestiert.
Yellox® (Bromfenac) von Dr. Gerhard Mann Chem.-pharm. Fabrik: Mit Yellox® werden postoperative Augenentzündungen nach dem Entfernen einer getrübten Linse (grauer Star, Katarakt) bei Erwachsenen behandelt. Den Erstattungsbetrag hierfür hat die Schiedsstelle festgesetzt, nachdem sich die Vertragspartner zuvor nicht einigen konnten. Die Regelung gilt seit dem 1. August 2012. Der G-BA sah den Zusatznutzen von Yellox® im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie mit Dexamethason-Augentropfen als nicht belegt an.
Zytiga® (Abirateronacetat) von Janssen-Cilag: Zytiga® wird in der Therapie vorbehandelter Patienten mit metastasiertem fortgeschrittenem Prostatakrebs eingesetzt. Die Vereinbarung gilt seit dem 1. Oktober 2012. Ausgangspunkt der Verhandlungen war der G-BA-Beschluss, der dem Präparat für eine Patientengruppe einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen bescheinigte; für eine kleinere Patientengruppe gilt ein Zusatznutzen als nicht belegt.
Wenn Praxisbesonderheiten bei den Verhandlungen vereinbart wurden, finden Sie die Anforderungen an Zweckmäßigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit auf dieser Website.