„Das solidarische Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland ist mitten in seiner größten Prüfung. Ich bin sehr froh, dass wir über eine so robuste und leistungsfähige Gesundheitsversorgung verfügen“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, im Gespräch mit der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (NBR).
„Wir haben“, so Pfeiffer weiter, „zum Beginn der Pandemie das Versprechen gegeben, alles, was medizinisch notwendig ist, zu finanzieren. Das ist gelungen. Einen wichtigen Beitrag hat aber auch der Bund geleistet, weil er den Krankenhäusern den Leerstand in der ersten Phase der Corona-Welle finanziert hat. Und es gab auch Entlastungen, weil zum Beispiel viele planbare Operationen, wie künstliche Hüftgelenke, abgesagt wurden. Da haben sich vielfach Mehr- und Minderausgaben ausgeglichen. Das Defizit von 1,7 Milliarden Euro bis Ende September ist darauf zurückzuführen, dass die Kassen ihre Reserven abbauen mussten und dazu etwa ihren Zusatzbeitragssatz nicht erhöht haben. Das ist kein Grund, für dieses Jahr Alarm zu schlagen.“
Fehlende Zukunftsstrategie
Für das kommende Jahr sieht Pfeiffer die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen insgesamt gesichert. Allerdings kritisiert sie gegenüber der NBR, dass der größte Teil des 2021-Defizits einseitig finanziert wird: „Trotz der Sozialgarantie wurde beschlossen, dass von den auf der Einnahmeseite fehlenden 16 Milliarden Euro der größte Teil von den Beitragszahlern finanziert werden muss. Etwa drei Milliarden Euro durch Beitragserhöhungen, acht Milliarden Euro aus den Rücklagen einzelner Kassen und fünf Milliarden Euro durch einen einmalig höheren Bundeszuschuss. Der Bundeszuschuss hätte aus unserer Sicht höher ausfallen müssen. So werden von den notwendigen 16 Milliarden Euro elf Milliarden Euro aus Beitragsgeldern finanziert. Denn bei den Reserven handelt es sich ja auch um Gelder der Beitragszahler. Ich halte es zudem für fragwürdig, die Reserven so gefährlich weit herunterzufahren. Es ist keine Strategie für die Zukunft, dauerhaft höhere Ausgaben durch einmalige Zuschüsse und das Auflösen von Rücklagen zu finanzieren."
Gesetzliche Krankenversicherung als Wahlkampfthema?
Im Gespräch mit der NBR wies Pfeiffer darauf hin, dass Ende des Jahres, also nach der Bundestagswahl, die Reserven der Kassen aufgebraucht sein und auch die Lage im Bundeshaushalt „alles andere als rosig“ aussehen dürfte. Auf die Frage, ob denn das ein Wahlkampfthema werde, sagte sie: „Nun, ich weiß nicht, wer im Wahlkampf darüber sprechen will. Es ist ja kein angenehmes Thema. Aber man kann sicher sein, dass die Finanzlage der Kassen spätestens nach der Wahl auf den Tisch kommen wird. Auch früher gab es nach Bundestagswahlen Vorschaltgesetze, wo dann in einer Hauruck-Aktion das Geld eingesammelt werden sollte. Die hohen Ausgaben sind ja vom Gesetzgeber gewollt, und sie bleiben und zwar nicht nur wegen Corona.“
Diese aufgrund gesetzlicher Vorgaben entstehenden Mehrausgaben kämen leider zu einem großen Teil nicht den Versicherten zugute. Das allerdings wäre richtig: „Schön wär’s! Die zusätzlichen Ausgaben kommen zumeist nicht bei den Versicherten an, sondern gehen auf das Konto der Leistungserbringer, also Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser und so weiter“, wie Pfeiffer der NBR gegenüber kritisiert.
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