Zum ersten Mal kann jetzt mit empirischen Daten aufgezeigt werden, wie die Pflegepersonalausstattung auf bestimmten Krankenhausstationen in den unterschiedlichen Schichten ist. Damit ist der Weg frei, um Pflegepersonaluntergrenzen in vier pflegesensitiven Krankenhausbereichen - Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie - festzulegen. Die bislang fehlende Datenbasis zur tatsächlichen Pflegepersonalausstattung in deutschen Kliniken hatte die Verhandlungen zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem GKV-Spitzenverband erheblich erschwert. Beide Institutionen sind vom Gesetzgeber aufgefordert gewesen, verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen für pflegesensitive Bereiche in Krankenhäusern für die Zeit ab 1. Januar 2019 zu vereinbaren. Aufgrund des Scheiterns der Verhandlungen durch einen Entschluss des DKG-Vorstandes werden Pflegepersonaluntergrenzen in den vier pflegesensitiven Krankenhausbereichen nun per Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für das Jahr 2019 erlassen.
„Patienten in Krankenhäusern müssen sich darauf verlassen können, auch nachts und am Wochenende ausreichend versorgt zu werden. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber leider nicht in jedem Krankenhaus. Damit sich die Situation künftig ändert, hätten wir gerne Pflegepersonaluntergrenzen mit der DKG am Verhandlungstisch vereinbart und bedauern die Verweigerung des DKG-Vorstandes.“ Derzeit bereitet das Bundesgesundheitsministerium - aufbauend auf den Vorarbeiten der Selbstverwaltungspartner - eine Ersatzvornahme vor. „Sie wird verbindliche Vorgaben zur Pflegepersonalausstattung für die Bereiche Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie definieren. Das ist gut, damit sich zumindest in diesen Bereichen keine Klinik mehr vor einem Mindeststandard drücken kann“, so Johann-Magnus v. Stackelberg, stellv. Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes.
Die Daten zur Pflegepersonalausstattung wurden von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Auftrag der DKG und des GKV-Spitzenverbandes erhoben. Mit Zahlen belegt lässt sich nun sagen, wie viele Pflegekräfte aufgrund der Anzahl und des Pflegeaufwands der Patienten mindestens notwendig sind, um pflegerisch kritische Versorgungssituationen möglichst zu vermeiden. Die KPMG-Studie stellt lediglich eine Entscheidungsgrundlage für die Verhandlungspartner - oder für das Bundesgesundheitsministerium bei einer Ersatzvornahme – dar und enthält keine Empfehlung zu konkreten Pflegepersonaluntergrenzen.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen von DKG und GKV-Spitzenverband über die Vereinbarung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen hat das Bundesgesundheitsministerium KPMG mit ergänzenden Datenauswertungen für die Ersatzvornahme beauftragt (insb. Zusammenfassen der Früh- und Spätschicht zu einer Tagesschicht, keine Risikoadjustierung durch die Differenzierung von Schweregradklassen). Diese sind ebenfalls in dem Abschlussbericht der KPMG-Studie dargestellt.
Aktueller Gesetzentwurf weicht vom Koalitionsvertrag ab
Die Erhebung zur Pflegepersonalsituation in ausgewählten Bereichen ist lediglich der Anfang eines umfangreicheren Prozesses zur Sicherung der Patientensicherheit. Der Koalitionsvertrag sieht Pflegepersonaluntergrenzen in allen Krankenhausabteilungen vor. Im aktuellen Entwurf zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz erfolgt bisher keine Erweiterung der Pflegepersonaluntergrenzen auf alle Krankenhausbereiche – anders als dies der Koalitionsvertrag erwarten ließ. Vielmehr setzt der Gesetzgeber auf eine Kombination von Mindest-Pflegepersonalvorga¬ben für ein gesamtes Krankenhaus (Pflegepersonalquotient) und den verbindlichen Pflegepersonaluntergrenzen für pflegesensitive Bereiche. Bislang fehlt auch die Anpassung des Leistungsvolumens im Falle unzureichender Pflegepersonalausstattung. „Der Vorschlag im Kabinettsentwurf, Krankenhäuser mit Abschlägen zu belegen, kann nur eine Zwischenlösung sein. Wenn nicht genügend Personal da ist, um eine sichere Patientenversorgung zu garantieren, muss das Krankenhaus aus Sicherheitsgründen die Patientenzahlen reduzieren bis der Schlüssel wieder passt“, so v. Stackelberg.