Das heute vom Bundeskabinett beschlossene Versorgungsstrukturgesetz geht in vielen Punkten in die richtige Richtung und setzt gute Akzente. Es gibt jedoch auch problematische Aspekte, die das Gesundheitswesen staatsnäher und teurer machen, ohne die Versorgung der Patienten tatsächlich zu verbessern.
„Mit dem Versorgungsstrukturgesetz werden jenseits kurzfristiger Effekte strukturelle Maßnahmen eingeleitet, die helfen, die gute medizinische Versorgung in Deutschland weiterhin zu erhalten. Wir begrüßen die vielfältigen Vorhaben zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung auf dem Land. Allerdings fehlen Maßnahmen, um die teure und unnötige Überversorgung, die es in den meisten anderen Gebieten gerade im fachärztlichen Bereich gibt, abzubauen. Überversorgung bindet medizinisches Personal und finanzielle Ressourcen, die dann woanders fehlen. Überversorgung abbauen und Unterversorgung verhindern sind zwei Seiten einer Medaille“, so Johann-Magnus v. Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands.
„Entgegen dem Anfang Juni bekannt gewordenen Referentenentwurf sind die besonders kostentreibenden Elemente bei der Vergütung niedergelassener Ärzte nicht mehr enthalten. Dies hatte die Politik seinerzeit angekündigt und umgesetzt. Wir begrüßen dies ausdrücklich“, so v. Stackelberg.
Staatsferne hat sich bewährt
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist ein Herzstück des deutschen Gesundheitswesens, denn in diesem selbstverwalteten und staatsfernen Gremium werden die wesentlichen Leistungsentscheidungen getroffen.
Die bewährte Balance zwischen politischer Rahmensetzung durch Gesetz und konkreter Ausgestaltung durch die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen unter Beteiligung von Patientenvertretern wird durch das Versorgungsstrukturgesetz aus dem Gleichgewicht gebracht.
Im G-BA werden die Entscheidungen unter fachlichen Gesichtspunkten im Interesse der Patientinnen und Patienten getroffen. Bei Nichteinigung entscheiden die Stimmen der unparteiischen Mitglieder. Künftig soll bei der Berufung der unparteiischen Mitglieder der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages das Letztentscheidungsrecht haben. „Damit wird der Weg in die Staatsmedizin geebnet“, so v. Stackelberg.
Die nach dem neuen Verfahren ausgewählten Unparteiischen dürfen, so sieht es das Versorgungsstrukturgesetz vor, künftig in den drei vorangegangenen Jahren nicht bei den Trägerorganisationen des G-BA und deren Verbänden, als Leistungserbringer oder im Krankenhaus beschäftigt gewesen sein. Dabei ist gerade die fachliche Qualifikation der Unparteiischen für die Qualität der Beratungen und der Beschlussfassung unverzichtbar. Ohne sie würde die G-BA-Arbeit insgesamt leiden.
Spezialärztliche Versorgung umfassend konzipieren
Viele hochspezialisierte ärztliche Leistungen werden heute parallel von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten erbracht, ohne dass es eine Abstimmung zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich gibt. Das deutsche Gesundheitswesen leistet sich in der spezialärztlichen Versorgung eine medizinisch unnötige und teure Doppelstruktur. Deshalb wollen wir, dass der spezialärztliche Versorgungsbereich, wie z. B. Herzkatheteruntersuchungen und ambulante Operationen künftig für Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte gemeinsam betrachtet wird. Das sichert die gute Versorgung der Patienten und spart gleichzeitig Beitragsgelder.
Der Handlungsbedarf im spezialärztlichen Bereich wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf grundsätzlich anerkannt. Das ist ausdrücklich zu begrüßen. Allerdings gehen die vorgesehenen Änderungen nicht weit genug.
Im vorliegenden Gesetz wird der Begriff „spezialärztliche ambulante Versorgung“ lediglich für die bisherige hoch spezialisierte ambulante Versorgung im Krankenhaus verwendet (§ 116 b SGB V). Diese Blickverengung auf den Bereich der seltenen Erkrankungen und der Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen wird dem umfassenden Neuordnungsbedarf nicht gerecht. Zumindest auch beim ambulanten Operieren (§ 115 b SGB V) sollten die Leistungen von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten gemeinsam betrachtet werden. Dann aber auch mit konsequenter Kapazitätssteuerung und nicht - wie jetzt geplant – nach dem Motto „wer kann, der darf“.
„Im anstehenden Gesetzgebungsverfahren wird der GKV-Spitzenverband im Dialog mit der Politik seine Änderungsvorschläge in die weitere politische Diskussion einbringen. Wir sind optimistisch, dass es bis zur Beschlussfassung des Deutschen Bundestags und des Bundesrats im Interesse der patientenorientierten Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitswesens noch Änderungen an dem jetzt vorliegenden Gesetz geben wird“, so v. Stackelberg.