Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) haben Anspruch auf eine mehrkostenfreie Versorgung mit medizinisch notwendigen Hilfsmitteln. Hilfsmittel wie z. B. Hörhilfen, Gehhilfen, Prothesen oder Bandagen unterstützen eine Behandlung, beugen einer Behinderung vor oder sollen diese ausgleichen. Sie werden in der Regel ärztlich verordnet und können von jeder Person zu Hause angewendet werden.
Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für das medizinisch notwendige und gleichzeitig wirtschaftlichste Hilfsmittel. Der Gesetzgeber hat dazu festgelegt, dass sich gesetzlich Krankenversicherte mit einer Zuzahlung von mindestens fünf und höchstens zehn Euro an Hilfsmitteln beteiligen. Zusätzliche Kosten (Mehrkosten) für Extras, zum Beispiel aus Gründen der Ästhetik oder des Komforts, müssen von den Versicherten selbst gezahlt werden. Der GKV-Spitzenverband wertet jährlich die GKV-Abrechnungsdaten für Hilfsmittel aus und stellt die Ergebnisse in seinem jährlichen Bericht über die Entwicklung der Mehrkosten bei Versorgungen mit Hilfsmitteln vor.
„80 Prozent der Hilfsmittel erhalten GKV-Versicherte mehrkostenfrei, das belegt erneut der sechste Mehrkostenbericht,“ so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Der Datenabgleich der letzten sechs Jahre hat für mehr Transparenz gesorgt: Im Berichtsjahr 2023 zahlten GKV-Versicherte durchschnittlich 149 Euro an Mehrkosten aus der eigenen Tasche. Aber sind diese Mehrkosten auch gerechtfertigt und bringen eine bessere Versorgung? Erst, wenn die Krankenkassen auch die Gründe dafür kennen, ist es möglich, Versicherte noch besser vor ungerechtfertigten Mehrkosten zu schützen. Hier sollte der Gesetzgeber endlich tätig werden und eine gesetzliche Meldepflicht für Gründe von Mehrkosten festlegen.“
Für den sechsten Mehrkostenbericht mit den Daten aus dem Jahr 2023 wurden fast 32 Millionen Hilfsmittelversorgungen (30 Millionen/2022) mit einem Ausgabevolumen von rund 11 Milliarden Euro (10 Milliarden Euro/2022) analysiert. Erneut bestätigt die Datenanalyse, dass auch im Jahr 2023 GKV-Versicherte rund 80 Prozent der Hilfsmittel regelhaft mehrkostenfrei bezogen haben. Bei rund 6,6 Millionen (etwa 20 Prozent) haben Versicherte jedoch eine Hilfsmittelversorgung mit Mehrkosten gewählt. Die Summe aller Mehrkosten betrug etwa 982 Millionen Euro. Bei diesen etwa 20 Prozent zahlten Versicherte im Schnitt 149 Euro (142 Euro/2022) dazu, damit sind auch die durchschnittlichen Mehrkosten je Versicherten im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent (4,4 Prozent/2022) gestiegen.
Hohe Mehrkosten im gesundheitshandwerklichen Bereich
Die Datenauswertung der Teilmarktergebnisse zeigt, dass die meisten Fälle mit hohen durchschnittlichen Mehrkosten im gesundheitshandwerklichen Bereich wie Hörakustik oder Orthopädie zu finden sind. So entschieden sich GKV-Versicherte im Jahr 2023 etwa bei orthopädischen Einlagen in rund 55 Prozent der Fälle für Versorgungen mit Mehrkosten. Einlagen rangieren beim Anteil der Mehrkostenfälle durchgängig an vorderer Stelle, zudem sind bei Einlagen im Mehrjahresverlauf sowohl die GKV-Ausgaben insgesamt als auch die Leistungsausgaben je Versorgungsfall deutlich gestiegen. Dagegen spielen Mehrkosten in anderen Teilmärkten der Hilfsmittelversorgung, wie der Rehatechnik, der medizintechnischen Versorgung und im Homecare-Bereich, insgesamt eine eher geringe Rolle.
Gesetzliche Meldepflicht für Gründe von Mehrkosten zum Schutz der GKV-Versicherten
Leistungserbringende sind gesetzlich verpflichtet, GKV-Versicherten zuerst eine mehrkostenfreie Versorgung anzubieten und erst danach über eine Versorgung mit Mehrkosten zu beraten. Die Höhe der Mehrkosten muss bei der Abrechnung mit der Krankenkasse angegeben werden (siehe Infokasten 2). Damit Versicherte von Leistungserbringenden nicht zu teuren, übermäßigen Versorgungen gedrängt oder unzureichend über ihren Leistungsanspruch beraten werden, ist jedoch mehr Transparenz über die Gründe von Mehrkosten erforderlich. Dafür braucht es eine gesetzlich festgelegte Meldepflicht für die unterschiedlichen Gründe von Mehrkosten bei Hilfsmitteln.
Krankenkassen sollten erfahren, warum Versicherte Hilfsmittel auswählen, die von der Regelversorgung abweichen und somit zu zusätzlichen Kosten führen. Hierzu fehlen dem GKV-Spitzenverband nach wie vor qualitative Daten, für die es gegenwärtig immer noch keine gesetzliche Grundlage gibt. Seit einem Jahr will das Bundesgesundheitsministerium eine Reform der Hilfsmittelversorgung anstoßen, konkrete Reformvorschläge stehen weiterhin aus.
Der GKV-Spitzenverband hat sich bereits im Jahr 2023 mit einem Positionspapier mit sechs Forderungen für eine bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Hilfsmittel-Versorgung positioniert, u. a. um Versicherte noch wirksamer vor ungerechtfertigten Mehrkosten zu schützen.
Hintergrundinformationen
Zuzahlung und Mehrkosten bei Hilfsmitteln – worin besteht der Unterschied?
Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass gesetzlich Krankenversicherte sich mit einer Zuzahlung an Hilfsmitteln beteiligen. Der Eigenanteil beträgt für jedes Hilfsmittel mindestens fünf und höchstens zehn Euro. Versicherte zahlen aber nie mehr als die tatsächlichen Kosten, falls ein Hilfsmittel günstiger als fünf Euro sein sollte. Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln ist die Zuzahlung auf höchstens zehn Euro im Monat begrenzt. Die jährliche Eigenbeteiligung der Versicherten darf zwei Prozent der Bruttoeinnahmen nicht überschreiten. Außerdem gibt es bestimmte Ausnahme- und Härtefallregelungen.
Während die Eigenanteile gesetzlich vorgegeben sind, entstehen Mehrkosten nur dann, wenn Versicherte die Möglichkeit nutzen, eine Versorgung über das Maß der medizinisch notwendigen Ausstattung hinaus auszuwählen. Sie müssen dann entsprechende Mehrkosten selbst tragen. Der Versicherte trägt diese Kosten allein, weil er sich im eigenen Interesse für zusätzliche Leistungen entscheidet. Diese Leistungen sind außerhalb des Sachleistungsprinzips der Krankenkassen und damit außerhalb des medizinisch Notwendigen, das Versicherte für ihre Krankenkassenbeiträge erhalten.
Leistungserbringende müssen aktiv informieren – die gesetzliche Grundlage
Das im Jahr 2017 beschlossene Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) verpflichtet die Anbieter der Gesundheitsleistungen, GKV-Versicherten immer mehrkostenfreie Hilfsmittel anzubieten und diese über ihren Versorgungsanspruch (Sachleistungsprinzip) zu informieren.
Wünschen Versicherte eine zusätzliche Leistung außerhalb des Sachleistungsprinzips der GKV, sind die Leistungserbringenden zudem verpflichtet, den Krankenkassen die Höhe der mit den Versicherten abgerechneten Mehrkosten mitzuteilen. Diese Maßnahmen sollen für mehr Transparenz über das Ausmaß der im Hilfsmittelbereich gezahlten Mehrkosten sorgen und langfristig dabei helfen, ungerechtfertigte Mehrkosten zu verringern. Die Mehrkostenberichte des GKV-Spitzenverbandes bieten hierfür wichtige Anhaltspunkte. Allerdings sollten die Anbieter verpflichtet werden, auch die Gründe für diese Mehrkosten anzugeben, damit eine vertiefte Analyse ermöglicht wird. Dazu braucht es eine gesetzliche Meldepflicht.