Mit Blick auf den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) am kommenden Freitag im Bundesrat erklärt der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes auf seiner heutigen Sitzung:
Gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung, die 90 Prozent der Bevölkerung absichern, sind das Rückgrat der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Deutschland. Sie brauchen finanzielle Stabilität. Wollen Bundesregierung und Parlament Beitragssatzsteigerungen und Leistungskürzungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung für das kommende Jahr verhindern, müssen sie noch in dieser Legislaturperiode die entscheidenden Weichen stellen.
Selbstverwaltung hat sich in der Krise bewährt
In der COVID-19-Pandemie haben gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung wesentlich dazu beigetragen, die Strukturen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung zu stabilisieren. Mit einer Vielzahl praxisnaher Regelungen zu Versorgungs-, Verfahrens- und Vergütungsfragen unter Pandemiebedingungen war die soziale und die gemeinsame Selbstverwaltung ein wichtiger Schlüsselfaktor zur Bewältigung der Krise. Auf der Finanzierungsseite haben derweil Pandemie und zusätzliche gesetzliche Maßnahmen dazu geführt, dass im kommenden Jahr sowohl für die gesetzliche Krankenversicherung als auch für die soziale Pflegeversicherung erhebliche Finanzierungslücken drohen.
Angekündigter Bundeszuschuss nicht ausreichend
Zwar werden der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit dem vom Bundestag bereits beschlossenen GVWG für 2022 zusätzliche Bundesmittel in Höhe von 7 Mrd. Euro zugesichert. Dies ist ein erster, guter Schritt! Dieser wird aber absehbar nicht genügen, um das Ziel stabiler Beiträge für das nächste Jahr zu erreichen. Denn für 2022 droht nach gegenwärtiger Lage eine Finanzierungslücke von rd. 18 Mrd. Euro. Die zugesicherten 7 Mrd. Euro sowie die inzwischen geregelte Kostenerstattung der Test- und Impfkosten durch den Bund werden nach heutiger Lage nicht ausreichen, um den gesetzlich festgelegten durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz der GKV im Jahr 2022 bei 1,3 Prozent zu halten. Deshalb müssen Regierung und Parlament, sobald die Rechnungsergebnisse der gesetzlichen Krankenversicherung für das 1. Halbjahr 2021 als Basis für eine solide Prognose vorliegen, handeln. Dabei ist auch die zu erwartende Finanzentwicklung im zweiten Halbjahr zu berücksichtigen. Die Rechtsverordnung für die notwendige Erhöhung des Bundeszuschusses muss noch vor Abschluss dieser Legislaturperiode kommen.
Dramatische Finanzlage in der Pflegeversicherung
Die Finanzlage in der sozialen Pflegeversicherung ist nicht weniger dramatisch. Das laufende Jahr wird die soziale Pflegeversicherung mit einem Defizit von voraussichtlich 1,9 Mrd. Euro abschließen. Mit den nun beschlossenen Maßnahmen einer kleinen Pflegereform entsteht eine kurzfristige Finanzierungslücke von etwa 3,5 Mrd. Euro. Nur wenn ein Bundeszuschuss in dieser Größenordnung noch 2021 gezahlt wird, kann eine Beitragssatzanhebung zum Start ins nächste Jahr vermieden werden. Damit würden auch die pandemiebedingten Mehrausgaben der sozialen Pflegeversicherung in den Jahren 2020 und 2021 kompensiert.
Zusätzliche Bundeszuschüsse für die soziale Pflegeversicherung und die gesetzliche Krankenversicherung wären zudem ein starkes Signal für Wachstum und Beschäftigung, denn stabile Beitragssätze werden einen beträchtlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung Deutschlands in 2022 leisten. Der notwendige zusätzliche Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung muss durch nachhaltige strukturelle Reformen flankiert werden, damit diese Mittel nicht in eine ineffiziente Leistungserbringung und unwirtschaftliche Strukturen auf der Angebotsseite fließen.