PRESSEMITTEILUNG - BERLIN, 27.02.2014 Einfach nur mehr Ärzte löst keine Versorgungsprobleme – Qualität dokumentierter Diagnosen zweifelhaft

GKV-Spitzenverband

In Deutschland gibt es so viele Ärzte wie noch nie. Das gilt sowohl für Hausärzte als auch für Fachärzte. Bei den Fachärzten gibt es praktisch flächendeckend eine Überversorgung. Auch das Einkommen niedergelassener Ärzte liegt auf einem Rekordniveau und mit durchschnittlich 166.000 Euro brutto pro Arzt weit über dem Durchschnitt der Bevölkerung.

„Mit der bisherigen Konzentration auf die klassische Einzelarztpraxis und die politisch initiierten Honorarerhöhungen konnten die Versorgungsprobleme nicht gelöst werden. Wir haben immer mehr Ärzte, die immer mehr Geld verdienen und trotzdem gibt es für die Patienten teilweise lange Wartezeiten und in wenigen Regionen im hausärztlichen Bereich erstmals Versorgungslücken.

Wir fordern die Ärzteschaft auf, die neuen Möglichkeiten zur besseren Versorgung der Patienten aktiv auszubauen und zu nutzen. Auch in der ambulanten Versorgung müssen mehr Kooperationen und mehr Anstellungsmöglichkeiten angeboten werden, damit jungen Ärzten der Weg in die Praxis und aufs Land erleichtert wird. Die Zunahme multimorbider Patienten und die steigende Komplexität der medizinischen Versorgung erfordern auch im vertragsärztlichen Bereich multidisziplinäre Teamstrukturen. Hier müssen die Ärzteorganisationen aktiv werden“, so Johann-Magnus v. Stackelberg, stv. Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes.

Basisversorgung ausbauen statt nur weiterer Spezialisierung

Heute sind rund 40 Prozent der niedergelassenen Ärzte als Hausärzte tätig. Gleichzeitig erfolgten 2012 nur 11 Prozent aller Facharztanerkennungen im Bereich der Allgemeinmedizin. Damit ist schon heute der Hausärztemangel von morgen vorgezeichnet. Die Basis der ambulanten Versorgung bildet aber die hausärztliche Versorgung. Der Hausarzt ist der erste Ansprechpartner für die Patienten, er kennt ihre Krankengeschichte und genießt hohes Vertrauen. Für die ambulante Versorgung in der Fläche werden gut ausgebildete Generalisten mit einem breiten Wissens- und Erfahrungsschatz benötigt.

„In Deutschland werden viel zu wenige Hausärzte ausgebildet. Hier haben die Länder bei der Universitätsausbildung und die ärztliche Selbstverwaltung bei der Organisation der Weiterbildung sowie bei der Ausgestaltung von Bedarfsplanung und Zulassungsrecht keinen guten Job gemacht“, so v. Stackelberg. „Wir fordern, dass die Ausbildung an den Hochschulen künftig der hausärztlichen Basisversorgung einen zentralen Stellenwert einräumt und dass die ärztliche Selbstverwaltung nicht nur auf immer mehr Spezialistentum setzt.“

Ärzteschaft sorgt selbst für höhere Honorare

In einer alternden Gesellschaft verändert sich der Behandlungsbedarf der Menschen. Gleichzeitig nehmen die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten zu. Vor allem aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts erhöht sich der Behandlungsbedarf und -aufwand. Seit 2009 übernehmen die Krankenkassen das sog. Morbiditätsrisiko. Wenn die Ärzte aufgrund eines erhöhten Behandlungsbedarfs mehr leisten, dann bekommen sie auch mehr Honorar. Neben der demografischen Veränderung sind die von den Ärzten dokumentierten Diagnosen die Grundlage für die Anpassung der Honorare. Wenn die Ärzteschaft mehr oder schwerwiegendere Krankheitsdiagnosen aufschreibt und meldet, steigt insgesamt die Honorarsumme, die die Krankenkassen an die Ärzteschaft überweisen.

Qualität aufgeschriebener Diagnosen zweifelhaft

Es gibt klare Hinweise dafür, dass die Qualität der dokumentierten Diagnosen nicht ausreichend ist. Auf Basis der von den Ärzten aufgeschriebenen Diagnosen wäre die Anzahl der Diabetiker jährlich um acht Prozent gestiegen. Die Daten des zum Bundesgesundheitsministerium gehörenden Robert-Koch-Instituts zeigen jedoch, dass der Anstieg tatsächlich nur knapp zwei Prozent betrug. Auch eine Analyse des unabhängigen IGES-Instituts ermittelt ernüchternde Ergebnisse. So bekommt jeder vierte Patient mit einem chronischen Nierenversagen keine Dialyse, obwohl das auf Basis der von den Ärzten aufgeschriebenen Diagnosen eigentlich notwendig wäre. Entweder wird jeder vierte Patient mit dieser Diagnose falsch behandelt oder jede vierte dieser Diagnosen ist falsch.

„Es ist völlig inakzeptabel, wenn Diagnosen übertrieben aufgeschrieben werden, um mehr Honorar für die Ärzteschaft herauszuholen. Es hat sich gezeigt, dass die von den Ärzten selbst aufgeschriebenen Diagnosen keine geeignete Basis für die Steigerung der ärztlichen Vergütung sind. Hier muss der Gesetzgeber neue Bedingungen schaffen.

Wir fordern, dass die Morbiditätsentwicklung im Kern künftig als Teil des demografischen Wandels erfasst wird. Ergänzt werden sollte das durch weitere unabhängige Morbiditätskriterien aus der offiziellen Gesundheitsberichterstattung.

Für uns ist zentral, dass der medizinisch-technische Fortschritt auch weiterhin durch die Einführung von neuen Leistungen berücksichtigt ist. Neue Leistungen werden selbstverständlich auch in Zukunft zusätzlich vergütet “, so v. Stackelberg.

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