STATEMENT - BERLIN, 10.05.2021 Kiefer warnt bei der Pflege-Vergütung vor furchtbarem Kuddelmuddel

GKV-Spitzenverband

Portrait von Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes

Gernot Kiefer

Mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) sprach Gernot Kiefer, Stellvertretender-Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, anlässlich der geplanten Pflegereform. Im NOZ-Interview betont er, dass „eine angemessene Bezahlung von Pflegekräften […] ohne jeden Zweifel richtig und eine wichtige Voraussetzung für gute Pflege und Engagement im Beruf“ sei. Kiefer kritisiert allerdings die Ausgestaltung und warnt vor „ein[em] Flickwerk, das vorne und hinten nicht zusammenpasst.“

Kosten für Lohnsteigerung

Vor dem Hintergrund steigender Löhne fragte die NOZ den Stellvertretenden-Vorstandsvorsitzenden, wie viel dies kosten würde.

Kiefer verwies zunächst darauf, dass es künftig die Pflicht geben solle, Regelungen aus Tarifverträgen anzuwenden und dass sich die Vertragspartner zusätzlich bei der Vergütungsfindung an die regionalen Tarifverträge binden müssten. „Dadurch entsteht ein furchtbares Kuddelmuddel“, so Kiefer im NOZ-Interview. „Die Konstruktion taugt allemal als Gehhilfe, um ein, zwei Jahre nicht umzufallen. Bis dahin müssten sich die Pflegebeschäftigten selbst so gut organisieren, dass sie stark genug werden, um Tarifverträge selbst durchsetzen zu können.“ Kiefer weiter: „Die Umsetzung der Tarifbindung würde im Zusammenhang mit dem ebenfalls angekündigten Personalzuwachs auf zusätzliche Kosten von 3 bis 3,5 Milliarden Euro pro Jahr hinauslaufen.“ Er wies daraufhin, dass diese „in den vorliegenden Gesetzeskomponenten […] nicht solide gegenfinanziert“, sei.

Beiträge der Pflegeversicherung könnten steigen

Um die Tarifbindung zu finanzieren, müssten daher die Beiträge um 0,1 Punkte auf 3,15 Prozent steigen. Um dem entgegen zu wirken, schlägt der Bundesgesundheitsminister vor, zum einen Rentenbeiträge zukünftig aus Steuermitteln zu finanzieren und zum anderen den Beitrag für Kinderlose zu erhöhen. Kiefer hegt „erhebliche Zweifel“, „ob diese Rechnung vor allem über einen längeren Zeitraum wirklich aufgeht.“

Mehrkosten für Pflegebedürftige befürchtet

Neben Kosten für Beitrags- und Steuerzahlende kamen die Kosten für Pflegebedürftige zur Sprache. Hier befürchtet der stellvertretende Vorstandvorsitzende, dass „ohne Gegensteuerung Pflegebedürftige […] nahezu 100 Prozent der zusätzlichen Lohnkosten für die Pflegebeschäftigten tragen [müssten].“ Kiefer erwähnte den in der Diskussion befindlichen Vorschlag, die Eigenanteile zu deckeln bzw. zu begrenzen. Er forderte im NOZ-Interview, dass „der Gesetzgeber die Leistungsbeträge an die Inflation anpassen“ müsse.

Entlastung der Heimbewohnenden soll geringer ausfallen

Der ursprüngliche Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums sah einen Eigenanteil-Deckel vor. „Ein Eigenanteil-Deckel war der Regierung wohl zu teuer“, so Kiefer zur NOZ. Spahns alternativer Vorschlag führe dazu, dass „die Bedürftigen weniger entlastet [werden] als bei einer echten Deckelung.“ Die Finanzierung der Zuschüsse der Pflegekassen hätten zur Folge, dass „etwa drei Milliarden Euro auf die Pflegeversicherung zu [kämen]. Würden diese auf die Beitragszahler umgelegt, würden die Sozialabgaben insgesamt die 40-Prozent-Marke übersteigen. Die sogenannte Sozialgarantie bei den Lohnnebenkosten würde also gesprengt.“

Spahn hat die Länder vom Haken gelassen

Kiefer kritisiert scharf, dass „Spahn die Länder vom Haken [lässt], so dass auch die Investitionskosten weiter bei den Pflegebedürftigen abgeladen werden. Die Abstinenz der Länder ist absolut inakzeptabel, da sie auf Kosten der Pflegeversicherung Jahr für Jahr erheblich an Sozialausgaben einsparen.“

Der Vize-Vorstandsvorsitzende bilanziert im Interview mit der NOZ, dass die Vorschläge „im Sinne der Pflegebedürftigen und der Konsolidierung der Finanzen völlig unangemessen“ sein.